Die Chefin
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Noch bis Ende Juli können die Aquarellmalereien von Ruedi Elsener im Alters- und Pflegezentrum in Amriswil bestaunt werden. Es ist bereits die fünfte Ausstellung des 84-Jährigen. Geboren ist er in Biel und aufgewachsen im Thaler Kinderheim «Zum Andwiler».
Porträt Bereits zum fünften Mal stellt Ruedi Elsener seine Aquarellbilder aus. Noch bis Ende Juli kann seine Ausstellung im Restaurant Egelmoos im Alters- und Pflegezentrum in Amriswil besucht werden. Der Malerei konnte sich der gebürtige Bieler erst nach der Pension widmen. Anfangs ging es aus finanziellen Gründen nicht: «Ich konnte mir kaum einen Bleistift leisten», erklärt der 84-Jährige, der ohne Eltern mit seinem Bruder und seiner Schwester im Kinderheim «Zum Andwiler» in Thal aufwuchs, wo sie den Grausamkeiten der Heimleiter schutzlos ausgeliefert waren. Danach, weil er lange Jahre in der Baubranche als Projektleiter eines grossen Unternehmens tätig war und schlicht die Zeit fehlte.
Weder die wunderschönen Aquarellbilder noch das freundliche Lächeln von Rudolf Elsener liessen vermuten, dass sich hinter dieser Fassade eine traurige Geschichte verbirgt. Geboren ist der Aquarellmaler 1940 in Biel. «Als ich sechs Jahre alt war, haben uns unsere Eltern verlassen», erzählt der 84-Jährige, der heute in Amriswil wohnt. Die drei Geschwister Elsener kamen daraufhin ins Kinderheim «Zum Andwiler» in Thal. Eine schlimme Zeit an die Ruedi Elsener sich ungern erinnert: «Sechs Mal täglich musste gebetet werden, dreimal täglich wurden wir geschlagen. So ungefähr.» Ruedi Elsener mag nicht weiter darauf eingehen, zu sehr schmerzen ihn die Erinnerungen an seine Kindheit im «Zum Andwiler» in Thal. Im Malen war er aber schon damals in der Schule gut gewesen. Der Lehrer schickte ihn jeweils mit den Klassenkameraden nach draussen, damit er ihnen zeige, wie man Blumen male.
Mit 16 Jahren kam Ruedi Elsener weg von dem Heim, weil sein damaliger Sekundarlehrer, der sein zeichnerisches Talent erkannte ihn an einen Architekten in St.Gallen vermittelte, wo er eine Lehre als Hochbauzeichner absolvieren konnte. «Ich hatte viel Glück im Leben, aber ich bin auch ein Kämpfertyp, sonst wäre ich gar nicht mehr hier», so der 84-Jährige und er erzählt weiter: «Eigentlich sollte ich eine Lehre als Schuhmacher antreten. Das habe ich meinem Lieblingslehrer erzählt, wahrscheinlich habe ich dabei geweint.» Einfacher wurde es für den damals 16-Jährigen zwar auch während der Lehrzeit in St.Gallen nicht, aber zumindest gab es keine Schläge mehr.
In St.Gallen wohnte er dann in einem Zimmer, das die Vormundschaftsbehörde von seinem mageren Lehrlingslohn bezahlte. «Aus dem 'Brünneli' kam nur kaltes Wasser und es gab nur werktags zu Essen», erzählt Ruedi Elsener. Für das Leben blieben ihm vom Lehrlingslohn 10 Franken pro Woche übrig, das reichte nicht einmal, um sich Essen am Wochenende zu kaufen. «Abends und an den Wochenenden habe ich auf dem Gemüsemarkt gearbeitet um Geld zu verdienen, dass ich mir Kleider kaufen konnte oder eine Zahnbürste», so Ruedi Elsener. Für Trinkgeld habe er den reichen Damen das Gemüse und Früchte auch hoch auf den Rosenberg geliefert. Daneben absolvierte er die Lehre als Hochbauzeichner. Da blieb für das Malen keine Zeit, aber Ruedi Elsener hätte auch kein Geld dafür gehabt: «Ich hätte mir ja nicht einmal einen Farbstift leisten können. Aber ich hatte immer wieder Leute und gute Kollegen, die mir halfen und mich weiter brachten.» Und weil es bei ihm im Zimmer in St.Gallen nur kaltes Wasser gab, ging er am Samstag jeweils in die Badeanstalt um für 50 Rappen zu duschen. Als er einem Kollegen erzählte, dass er sich das eigentlich nicht leisten könne, da schlug ihm dieser vor, er solle doch anfangen, Handball zu spielen. «Von da an ging ich dreimal pro Woche ins Handballtraining, dann konnte ich dreimal pro Woche warm duschen», erzählt Ruedi Elsener und weiter: «Viele Jahre schlug ich mich nur mit Ach und Krach durchs Leben.» Doch er gab nicht auf und arbeitete sich hoch, bis er schliesslich die Grossbauten eines Generalunternehmens leitete. Dies 22 Jahre lang. Danach war dann endlich die Zeit und das Geld vorhanden, um das Leben in der Pension ab 2003 zu geniessen und zu malen.
Seit 1987 wohnt Ruedi Elsener mit seiner Frau in einem Haus unter der Egg am äussersten südöstlichen Rand von Amriswil. Eines seiner Lieblingsmotive in seinen Aquarellmalereien ist das Hudelmoos mit seinen Birken und seinem Froschweiher an der Grenze zu Zihlschlacht. «Am liebsten male ich Bäume», so der 84-Jährige und er fährt fort: «Bäume sind wichtig für uns Menschen. Ohne sie könnten wir nicht leben. Wir müssen sie mehr schätzen und besser schützen.» Wohl ein Grund, warum er vor allem Bäume zeichnet, um sie ins Bewusstsein der Menschen zu rücken. In den Bildern, die ausgestellt sind, zeigt sich aber, dass Ruedi Elsener nicht nur Bäume in seiner Umgebung malt. Neben den Amriswiler Birkenbäumen hängt ein Aquarell, das einen Buchenwald im Tessin zeigt, daneben ein Tal im Bündnerland mit Lerchenwäldern. «Surselva oberhalb Rabius», kommentiert Ruedi Elsener. Auch Winterbilder hat es in der aktuellen Ausstellung, die noch bis Ende Juli im Restaurant Egelmoos im Alters- und Pflegezentrum in Amriswil statt findet. Daneben die Sitter, der Bodensee beim Naturschutzgebiet Rohrspitz in Altenrhein, daneben eine Alpenkette und dann die Sicht von der Egg auf den Hügel, der eine Ablagerung des Bodensee-Gletschers und dessen Moränenkieses ist. Das eine zeigt Bergmassive, die die Natur vor 230 Millionen Jahren geschaffen hat, das andere eine Landschaft, die vor 20'000 Jahren noch 200 Meter tiefer Bodenseegletscher überdeckte.
Die gesellschaftlichen Veränderungen während einem Menschenleben mögen schnell sein, wie Ruedi Elsener im Gespräch bereits angedeutet hatte, die geologischen sind hingegen kaum zu bemerken, so langsam gehen sie vonstatten.
In der Malerei von Ruedi Elsener ist dafür allerdings sehr wohl eine Veränderung zu bemerken. «Ich verbessere einfach von Bild zu Bild meine Technik», meint der Maler, der sich nicht als Künstler sieht, schmunzelnd. Wieso er denn gerade die Aquarellmalerei gewählt habe? Es sei die anspruchsvollste Technik, denn man dürfe sich keine Fehler erlauben, erklärt Ruedi Elsener. Ausserdem interessiert er sich sehr für die Farbenlehre und das sei etwas vom wichtigsten, wenn man Aquarell male. «Durch Komplementärfarben schaffe ich Kontraste und bringe damit die Bilder zum 'Leuchten', wie schon einst die Impressionisten», so Ruedi Elsener weiter. Eine weitere Veränderung in seinen neueren Aquarellen ist, dass er abstrakt zu malen probiert. «Ein Wald nur noch aus schwarzen Löchern und Stämmen darzustellen, ist schwierig», gibt Ruedi Elsener anhand eines der Bilder zu. Aber in seinem Leben hat er schon schwierigere Herausforderungen gemeistert. Wir dürfen also schon jetzt gespannt sein auf die sechste Ausstellung seiner Aquarellkunst. Und bis dahin ist die fünfte Ausstellung des Amriswiler Malers noch bis Ende Juli im Alters- und Pflegezentrum in Amriswil zu bestaunen. Zwar sind schon einige Aquarelle mit einem roten Punkt gekennzeichnet, das heisst verkauft, allerdings können die restlichen noch für Beträge zwischen 300 und 600 Franken erstanden werden. Ein Drittel davon sind die Materialkosten, der Rest entlöhnt den Zeitaufwand. «Es ist immer schön, etwas zu verkaufen, aber noch schöner ist es die Freude der Bewohner des APZ und deren Besucher zu sehen», sagt Ruedi Elsener.
Von Claudia Eugster.
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