Wieso wurde das Spiel nicht abgebrochen?

Letztens hatte ich das Gefühl, ich sei im Zoo. Das Netz erinnerte zumindest an ein Gitter und was sich dahinter abspielte an ein Affentheater. Am Ende war die Werbe-Bande futsch, das Equipment der einen Fotografin brannte und meine Begleitung hatte fast einen Gehörschaden. Aber ganz von vorne: Wenn Sie einmal so richtig Action haben wollen, dann müssen Sie in einem Fussballstadion Plätze ganz nahe am Gästefansektor buchen wenn international gespielt wird. Beim Fussballspiel FC St.Gallen gegen ACF Fiorentina artete es in der ersten Halbzeit vollkommen aus. Ein lauter Knall hallte durch das Stadion und dann wurde von den Fiorentini-Fans ein Pyro nach dem anderen gezündet. Einer von ihnen erklomm das Gitter und schwenkte die pyrokinetische Fackel gleich wie die Marianne im Gemälde von Eugène Delacroix «Die Freiheit führt das Volk» die Fahne der Französischen Republik. Die Fans dahinter erinnerten an die Meute, die bei der Französischen Revolution die Bastille stürmte und der Rauch, der sich im Stadion ausbreitete, an den Pulverdampf, der damals durch die Pariser Strassen gewabert haben muss. Ein Leser hat uns ein Foto eingesendet, siehe S. 10. Die Luft war erfüllt vom Knallen von Feuerwerkskörpern, was einem automatisch auch im Sitzen eine geduckte Haltung einnehmen liess. Was wenn einer davon ins Publikum fliegt? Das Spiel hätte in diesem Moment abgebrochen werden müssen – zu Gunsten des FCSG. Über Zigis Kopf explodierten Knallkörper und machten einen höllischen Lärm. Ein Wunder, dass der bei der Gefahr im Rücken trotzdem die ganze erste Halbzeit kein Tor rein liess. Als der Rauch sich verzogen hatte, da waren nicht nur die Pyros erloschen, sondern auch die Werbe-Bande vor dem Fansektor. Und die Fotografin konnte nur noch Teile ihrer Ausrüstung vor den Flammen retten – uncool.

Bodensee Nachrichten Ausgabe Nr.44 (2024)

Von Claudia Eugster.