Dominik Gemperli
über den aktuellen Stand des Gmünderhauses in Goldach
Bei den kantonalen Gewerbevereinen Appenzell Ausserrhoden und St.Gallen rechnet man mit einem Anstieg von Sanierungsarbeiten.
Die Schweiz hat entschieden: Ab dem 1. Januar 2028 fällt der Eigenmietwert weg. Bis dahin können Hauseigentümer Sanierungen, Renovationen oder energetische Verbesserungen noch von den Steuern abziehen. Droht deshalb ein Run auf Handwerker und Bauämter?
Eigenmietwert Die Schweiz hat entschieden: Am 28. September wurde die Abschaffung des Eigenmietwerts angenommen. Damit endet eine lange Kontroverse um die Besteuerung selbstgenutzter Eigenheime. Ab dem 1. Januar 2028 fällt die fiktive Miete weg – bis dahin aber können Hauseigentümer Sanierungen, Renovationen oder energetische Verbesserungen weiter von den Steuern abziehen. Droht deshalb nun ein Run auf Handwerker und Bauämter?
Andreas Hartmann, Präsident des Gewerbeverbands St.Gallen, rechnet mit einer kurzfristigen Zunahme der Aufträge: «Es ist durchaus zu erwarten, dass gewisse Sanierungsarbeiten in den kommenden beiden Jahren vorgezogen werden.» Maler, Sanitärbetriebe oder Küchenbauer dürften profitieren. Konkrete Rückmeldungen aus den Betrieben gebe es bisher jedoch nicht.
Lieferengpässe befürchtet Hartmann deshalb aber nicht. Schwieriger könnte die Personalplanungwerden: «Das könnte eher ein Problem sein: Personalmangel beschäftigt die Wirtschaft seit längerer Zeit.» Treue Kunden würden bevorzugt, Neukunden müssten länger warten, vermutet Hartmann. Ebenfalls geht der Präsident des Gewerbeverbands St.Gallen davon aus, dass Preissteigerungen möglich sind, «um Angebot und Nachfrage auszugleichen», wie Hartmann auf Anfrage sagt.
Auch im Appenzellerland rechnet man mit steigender Nachfrage bei Sanierungsarbeiten. Christof Chapuis, Präsident des Gewerbeverbands Appenzell Ausserrhoden, sagt: «Wir rechnen damit, dass es im Zeitraum bis zur Umsetzung eine stärkere Nachfrage nach wertvermehrenden Investitionen geben wird.» Besonders betroffen sei die Holzbranche, wegen der vielen Holzbauten im Kanton.
Von einem plötzlichen Boom spricht Chapuis indes aber nicht. Investitionsentscheidungen hingen stark von Zinsen und persönlicher Finanzlage ab. Daher rechne er mit einem gleichmässigen Anstieg der Nachfrage. Engpässe beim Material seien nicht zu erwarten, beim Personal jedoch schon: «Wir gehen nicht davon aus, dass sich die Situation in den nächsten zwei Jahren normalisieren wird.»
Spannend werde es laut Chapuis in knapp zwei Jahren: «Es besteht 2027 ein gewisses Risiko, dass es kurz vor Inkrafttreten zu einem Peak kommt, welcher die Betriebe zur Ablehnung von Aufträgen zwingen würde.» Qualitätseinbussen befürchtet Chapuis deshalb aber nicht: «Auch bei stark erhöhter Nachfrage haben wir keine Abnahme der Sorgfalt festgestellt», erinnert er an Erfahrungen aus der Coronazeit.
Während das Gewerbe über Aufträge diskutiert, richten Städte und Gemeinden den Blick auf ihre Finanzen. In Amriswil bewertet Stadtpräsident Gabriel Macedo die Folgen als «überschaubar». Zwar entfallen Einnahmen, gleichzeitig fallen aber auch Abzugsmöglichkeiten weg. Steuerfussanpassungen seien nicht geplant.
Die Bauverwaltung sei gut aufgestellt: «Wir können flexibel reagieren», sagt Macedo. Projekte könnten vorgezogen werden, Engpässe seien aber nicht zu erwarten. Förderprogramme von Bund und Kanton könnten Hauseigentümer zusätzlich entlasten.
In St.Gallen weist Antonio Romano, Leiter des Steueramts, auf eine Schätzung des Kantons hin: Für alle St.Galler Gemeinden zusammen könnten Steuerausfälle von 16,4 bis 21,9 Millionen Franken anfallen. Für die Stadt St.Gallen ergäbe sich daraus ein Betrag zwischen 2,5 und 3,3 Millionen Franken. «Aufgrund des hohen Mietwohnungsanteils gehen wir davon aus, dass St.Gallen eher am unteren Ende der Bandbreite liegt.» Steuererhöhungen oder andere Massnahmen seien derzeit nichtgeplant, offen sei lediglich, obder Kanton eine Objektsteuer einführt.
Ivan Furlan, Leiter des Amts fürBaubewilligungen in St.Gallen, zeigt sich über die Lage von der gelassenen Seite: Schon 2025 – mit rund 1300 Gesuchen – seien über 80 Prozentinnert 60 Tagen bewilligt worden. «Dies zeigt, dass Baugesuche zeitnah und effizient bearbeitet werden können.» Ausserdem soll im Kanton St.Gallen ab 2027 das elektronische Baugesuch eingeführt werden. «Damit können wir die Abläufe beschleunigen und Ressourcen schonen.»
In Tübach fiel die Abstimmung besonders deutlich aus: 79,5 Prozent der Stimmberechtigten stimmten für die Abschaffung des Eigenmietwerts. Haben sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger damit einen höheren Steuerfuss eingebrockt? Gemeindepräsident Michael Götte bezeichnet die finanziellen Auswirkungen als schwer einschätzbar: «Das ist wie Kaffeesatz lesen.» Wegfallende Einnahmen würden teilweise durch nicht mehr abzugsfähige Unterhaltskosten kompensiert, die stark schwankten.
Korrekturen am Steuerfuss seienohnehin absehbar, so Götte: «Unser Steuerfuss liegt bei 79 Prozent, Korrekturen wurden bereits an der Bürgerversammlung 2025 angekündigt.» Hauptgründe seien steigende Pflege- und Bildungskosten sowie kantonal vorgegebene Investitionen im Strassenbau. Götte erwartet einen moderaten Anstieg der Baugesuche: «Die Eigenheim-Besitzer haben schon immer renoviert, wenn es für sie richtig war, und nicht explizit wegen der Steuerthematik.» Kapazitätsprobleme gebe es nicht, die Verwaltung arbeite mit externen Ingenieurbüros zusammen. Preisanstiege im Handwerk sieht er eher nicht, Qualitätseinbussen ebenso wenig: «Die meisten Handwerker haben Berufsstolz.» Schön ist, so Götte, dass durch die erhöhte Auftragslage auch kleinere Betriebe kurzfristig profitieren würden.
Von Marino Walser
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