Die Chefin
Katrin Schlenker von «Achtsamkeitsseminare Katrin Schlenker»
Im Herbst 2020 wurde die Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» lanciert und bereits am 16. Dezember 2021 wurde sie eingereicht. Am Sonntag, 9. Juni 2024 kommt es nun zur Abstimmung darüber.
Abstimmungen Im Frühling 2020 erreichte die Corona-Pandemie die Schweiz. Der Bundesrat ergriff teils einschneidende Massnahmen, um die Bevölkerung vor dem Virus zu schützen und eine Überlastung des Gesundheitswesens, insbesondere der Spitäler, zu verhindern. Gleichzeitig begann die Entwicklung von Impfstoffen gegen das neuartige Virus. Weite Teile der Bevölkerung setzten grosse Hoffnungen in diese Impfstoffe. Andere standen der Impfung ablehnend gegenüber. In diesem politischen und gesellschaftlichen Umfeld wurde im Herbst 2020 die Initiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit» lanciert. Sie fordert, dass für Eingriffe in die körperliche oder geistige Unversehrtheit die Zustimmung der betroffenen Person vorliegen muss. Gemäss Initiative darf zudem eine Person, die die Zustimmung verweigert, weder bestraft noch benachteiligt werden. Bundesrat und Parlament lehnen die Initiative ab, mit der Begründung, dass das Kernanliegen der Initiative, die körperliche Unversehrtheit, bereits als Grundrecht in der Verfassung verankert sei. Schon heute darf niemand ohne Zustimmung geimpft werden. Zudem seien die Folgen der Initiative, etwa für die Arbeit von Polizei und Justiz, unklar.
Ist die körperliche Integrität bereits ausreichend geschützt? Die Bodensee Nachrichten haben zwei Politiker aus der Region Rorschach und Umgebung dazu befragt.
Jürg Lindenmann, Präsident SVP Goldach, aus Goldach
Wieso empfehlen Sie eine Annahme der Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit»?
Vorab möchte ich feststellen, dass ich Impfungen grundsätzlich befürworte und als grosse medizinische Errungenschaft betrachte. Es ist an sich schon tragisch, dass es diese Initiative scheinbar braucht, aber Corona hat gezeigt, wozu sich unser Parlament, die Behörden und die Politik unter durch medialen Druck erzeugter Panik hinreissen liessen und was die Bevölkerung an Einschränkungen der Grundrechte zu akzeptieren bereit war.
Es handelte sich dabei wohl um ein gefährliches Virus, aber nicht um einen Killer wie Ebola oder die Pest und ich frage mich, wie weit man noch gegangen wäre, wenn man das letztlich nicht eingesehen hätte.
Darum ist jede verfassungsmässige Stärkung der Garantie der körperlichen Unversehrtheit ein Gewinn für uns alle.
Bundesrat und Parlament lehnen die Initiative ab, weil die körperliche Unversehrtheit bereits jetzt als Grundrecht in der Verfassung verankert ist und beispielsweise schon heute niemand ohne Zustimmung geimpft werden darf. Was würden Sie diesem Argument entgegen halten?
Wie Artikel 10 Absatz 2 der Bundesverfassung festhält, hat jeder Mensch «das Recht auf persönliche Freiheit, insbesondere auf körperliche und geistige Unversehrtheit und auf Bewegungsfreiheit.» Dies lässt Spielraum für Interpretation, denn bekanntlich hört die Freiheit des Einzelnen dort auf, wo jene des anderen beginnt. Der Bundesrat und das Parlament, haben dieses Grundrecht mittels Notrecht übersteuert, indem sie geltend gemacht haben, dass dies im öffentlichen Interesse und verhältnismässig sei und mit dem Covid-Gesetz anschliessend die rechtlichen Grundlagen geschaffen. Nun, dass es sich mit der Verhältnismässigkeit nicht ganz so verhalten hat, haben inzwischen viele
Erkenntnisse, trotz hartnäckigem Unterdrücken durch Politik und Medien (warum wohl?) gezeigt. Mit dem Covid-Zertifkats-(Un)wesen Stichwort 2G wurde die Impflicht faktisch eingeführt. Genau diese subtile Art des Zwangs spricht die Initiative mit der Bestimmung [dürfen] «weder bestraft werden noch dürfen ihr [einer Person] soziale oder berufliche Nachteile erwachsen» an.
Während der Corona-Pandemie wurden Stimmen laut, welche eine Impfpflicht forderten und für manche Bevölkerungsgruppen gab es in teils Ländern eine Impfpflicht. In Anbetracht der Tatsache, dass im Zuge der Verhandlungen über den WHO-Pandemiepakt darüber diskutiert wird, ob die WHO im Falle einer erneuten Pandemie weltweit all ihren Mitgliederstaaten bindende Handlungsanweisungen geben darf: Würde diese Volksinitiative eine Impfpflicht (ob generell oder für gewisse Bevölkerungsgruppen) verhindern können oder könnte sich der Bund über Notrecht darüber hinweg setzen und weiter: Bestünde die Möglichkeit einer Impfpflicht in der Schweiz, wenn die WHO – sollten die Verträge bei jetzigem Stand abgeschlossen werden – diese für alle Mitgliederstaaten anordnen würde?
Natürlich kann der Bund wiederum mit Notrecht übersteuern, aber eine zusätzliche Hürde in der Verfassung hätte da wahrscheinlich zur Mässigung und mehr Überlegtheit beigetragen. Denn auch Bundesräte, Beamte, Bundespolitiker und auch Wissenschaftler sind nur Menschen und lassen sich auch von Emotionen leiten. Da hilft eine in ruhigeren Zeiten verfasste gemeinsame Grundlage zur Entscheidungsfindung, diese zu mässigen.
Bezüglich WHO gibt es nur Eines, welches sicherstellt, dass wir unsere Freiheit behalten: Dem eben neu gestrickten Pandemiepakt darf die Schweiz auf keinen Fall beitreten!
Gegner der Volksinitiative warnen davor, dass die Folgen der Initiative beispielsweise für die Arbeit von Polizei und Justiz unklar wären. Der Text umfasst grundsätzlich jedes Handeln von Bund, Kantonen und Gemeinden, das auf den Körper einwirkt und nicht nur das Impfen. Was würden Sie diesem Argument entgegnen und wieso wurde ihrer Meinung nach hier nicht entsprechend ein Gegenvorschlag nur in Bezug auf das Impfen ausgearbeitet?
Ich finde, dass das weit hergeholt ist, denn polizeiliche Massnahmen wie DNA-Abstriche, Alkoholtests, Fingerabdrücke usw. sind jetzt schon durch bestehende rechtliche Grundlagen in den Polizeigesetzen geregelt und auch mit dem neuen Zusatz gibt es wie bis anhin keinen Grund, diese über Bord zu werfen. Fakt ist, es gibt eigentlich keine Gegenargumente und man sollte sich fragen, wie jemand gegen eine Stärkung der Freiheit und der eigenen körperlichen Unversehrtheit sein kann.
Stimmen Sie für die Initiative, stimmen Sie für sich.
Jürg Lindenmann (59), verheiratet, 2 erwachsene Kinder ist seit 2015 in Goldach wohnhaft und Präsident der SVP Goldach seit März 2023. Er ist beruflich seit 2001 als Spital-CIO und seit 2011 als selbstständiger Unternehmer und Berater im Bereich der Digitalisierung der Gesundheitsversorgung tätig. Seit März 2022 ist er Mitglied der Fachkommission Gesundheit der SVP des Kantons St.Gallen.
Luzia Krempl-Gnädinger, Kantonsrätin Die Mitte, aus Goldach
Wieso empfehlen Sie eine Ablehnung der Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit»?
Freiheit und körperliche Unversehrtheit sind bereits jetzt in Art. 10 Abs. 2 der Schweizer Bundesverfassung verankert. Die Initianten der Vorlage möchten die Impfpflicht und allfällige soziale oder berufliche Folgen für ungeimpfte Personen verhindern. Mit der offenen Formulierung «Eingriffe in die körperliche und geistige Unversehrtheit» im vorgeschlagenen neuen Artikel 2bis werden jedoch viele andere Rechtsgebiete ebenfalls tangiert. Dies würde die Arbeit von Polizei und Justiz sehr erschweren, es käme zu Rechtsunsicherheiten in Bereichen, die gegenwärtig durch unser Gesetz gut geregelt sind.
Die Initianten der Volksinitiative sind der Meinung, der Mensch müsse weiter frei über den eigenen Körper entscheiden können und auf die Politik sei in dieser Frage kein Verlass mehr. Was würden Sie diesem Argument entgegnen?
Der Artikel 36 der Bundesverfassung regelt Einschränkungen der Grundrechte. An diesen hält sich die Politik. Allfällige Änderungen im Umgang mit Impfungen müssten in diesem Artikel oder noch besser ausserhalb der Verfassung festgehalten werden.
Bundesrat und Parlament lehnen die Initiative ab, weil die körperliche Unversehrtheit bereits jetzt als Grundrecht in der Verfassung verankert ist und beispielsweise schon heute niemand ohne Zustimmung geimpft werden darf. Trotzdem wurden während der Corona-Pandemie Stimmen laut, welche eine Impfpflicht forderten und für manche Bevölkerungsgruppen gab es in teils Ländern eine Impfpflicht. In Anbetracht der Tatsache, dass im Zuge der Verhandlungen über den WHO-Pandemiepakt darüber diskutiert wird, ob die WHO im Falle einer erneuten Pandemie all ihren Mitgliederstaaten weltweit bindende Handlungsanweisungen geben darf – so der aktuelle Stand der Verhandlungen: Wie stehen Sie zu einer Impfpflicht, wenn die WHO dies für alle Mitgliedstaaten – ob generell oder für gewisse Bevölkerungsgruppen – anordnen würde und wie stehen Sie generell zu einer Impfpflicht für gewisse Bevölkerungsgruppen?
Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt. Als Pflegefachfrau in der Onkologie begegnen mir schwer kranke Menschen, deren Freiheit beziehungsweise Gesundheit und Leben durch Impfverweigerer massiv bedroht sein können.
Es gilt immer von Neuem, die Interessen aller unter den aktuellen Umständen abzuwägen. Bei jeder künftigen Epidemie oder Pandemie werden die Kriterien wieder anders sein: Erreger, Ansteckungsgefahr, Vorhandensein von Impfstoffen, Stand der Forschungen, gemachte Erfahrungen in der Vergangenheit und viele Faktoren mehr. Einen Impfzwang werde ich sicher nie unterstützen. Wie weit und mit welchen Ausnahmeregelungen eine Impfpflicht durchgesetzt werden soll, muss situativ entschieden werden.
Gegner der Volksinitiative warnen davor, dass die Folgen der Initiative beispielsweise für die Arbeit von Polizei und Justiz unklar wären. Der Text umfasst grundsätzlich jedes Handeln von Bund, Kantonen und Gemeinden, das auf den Körper einwirkt und nicht nur das Impfen. Da Sie eine Ablehnung der Initiative empfehlen, sehen Sie das genauso und wieso wurde Ihrer Meinung nach hier nicht entsprechend ein Gegenvorschlag nur in Bezug auf das Impfen ausgearbeitet?
Es gab einen Gegenentwurf, den Bundesbeschluss «Für die Selbstbestimmung in Impffragen», der jedoch vom Parlament abgelehnt worden ist.
Die von den Initiantinnen und Initianten vorgeschlagene Verfassungsänderung müsste in diversen Gesetzen konkretisiert werden, um den Handlungsspielraum der Polizei und die Beschlüsse der Justiz begründen zu können.
Auch im Gesundheitswesen würde die ohnehin schwierige Situation bezüglich Impfungen noch erschwert. Berufliche Nachteile, besonders im Umgang mit abwehrgeschwächten Personen, könnten bei Annahme der Initiative kaum umgangen werden.
Luzia Krempl-Gnädinger (54), verheiratet, Mutter von 4 erwachsenen Kindern, aufgewachsen in Goldach und heute dort wohnhaft, ist Kantonsrätin Die Mitte und Regionalparteipräsidentin und Pflegefachfrau im onkologischen Ambulatorium in Rorschach.
Von Claudia Eugster.
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