Der Chef
Marc Pahud von der Panettonerei Schweiz GmbH in Tübach
Damit Eigentümer einer Immobilie diese bei Bedarf rasch selber nutzen können, soll das Mietrecht in Bezug auf den Eigenbedarf gelockert werden. Dagegen wurde das Referendum ergriffen, weshalb am 24. November darüber abgestimmt wird. Die Bodensee Nachrichten haben eine Pro- und eine Kontra-Meinung eingeholt.
Abstimmungen Bundesrat und Parlament haben eine Lockerung des Mietrechtes in Bezug auf den Eigenbedarf beschlossen. Mit der neuen Regelung genügt es, wenn der Eigenbedarf «bedeutend und aktuell» ist, nicht mehr «dringlich». Lesen Sie im Folgenden, warum Sabina Revoli für diese Änderung der Regelung des Eigenbedarfes ist, und warum Andrea Schöb dagegen ist:
Sabina Revoli (SVP) aus Tübach, im Kantonsrat St.Gallen seit 2022
Wieso empfehlen Sie eine Annahme der Änderung des Mietrechts bezüglich Eigenbedarf?
Mit einem JA stärken wir die Rechte der Vermieterinnen und Vermieter wenn sie ihre Wohnungen für eigene oder familiäre Nutzung benötigen, was zu einer faireren und gerechteren Wohnraumnutzung beiträgt. Dadurch wird insbesondere Kleinvermietern ermöglicht, im Bedarfsfall auf den eigenen Wohnraum zurückzugreifen und so ihre persönliche Lebensplanung flexibler zu gestalten. Somit wird ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Mieter- und Vermieterinteressen geschaffen, was zu mehr Stabilität auf dem Wohnungsmarkt führt.
Bisher kann der Vermieter bei einer Kündigung den «dringenden» Eigenbedarf geltend machen. Bei einer Annahme genügt es, wenn der Eigenbedarf «bedeutend und aktuell» ist. Können Sie unserer Leserschaft den Unterschied dieser Formen des Eigenbedarfs erläutern?
Der Begriff «dringender Eigenbedarf» bedeutet, dass der Vermieter eine zwingende Notwendigkeit für die Wohnung nachweisen muss, zum Beispiel wenn keine andere geeignete Wohnmöglichkeit besteht. Bei «bedeutendem und aktuellem Eigenbedarf» hingegen reicht es aus, dass der Vermieter bei objektiver Betrachtung ein ernsthaftes und zeitnahes Interesse an der Wohnung hat, ohne eine akute Notlage darlegen zu müssen. Diese Änderung würde Vermietern somit mehr Flexibilität geben, Eigenbedarf anzumelden, wenn die Wohnung für ihre aktuellen Lebensumstände von Bedeutung ist und das Recht auf ihr Eigentum stärken.
Gegner der Anpassung des Mietrechts beim Eigenbedarf finden, dass wer eine Wohnung vermietet und diese dann selbst oder für nahe Verwandte nutzen möchte, den Mieterinnen und Mietern bereits jetzt unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen kündigen kann. Es brauche daher kein neues Gesetz. Wieso braucht es diese Anpassung?
Das aktuelle Gesetz stellt für Vermieter oft hohe Hürden, um Eigenbedarf geltend zu machen. Die Anpassung erleichtert es Vermietern, Eigenbedarf geltend zu machen, indem nicht mehr eine zwingende Notlage («dringender» Bedarf), sondern nur ein «bedeutender und aktueller» Bedarf vorliegen muss. Diese ausgewogene Lösung schafft Flexibilität bei geänderten Lebensumständen und gibt Vermietern mehr Rechtssicherheit, ohne die Rechte der Mieter übermässig einzuschränken.
Das Referendumskomitee unterstellt Vermietern, sie würden den Eigenbedarf vorschieben, um einfacher kündigen zu können und danach die Wohnung teurer neu vermieten zu können. Was sagen Sie dazu?
Ein Eigenbedarf muss auch bei der neuen Regelung gut begründet und nachweisbar sein, was Missbrauch erschwert. Zudem bieten bestehende gesetzliche Schutzmechanismen Mieterinnen und Mietern die Möglichkeit, gegen missbräuchliche Kündigungen vorzugehen. Die Anpassung des Eigenbedarfs bedeutet daher keine automatische Erleichterung für Kündigungen, sondern eine realistischere Berücksichtigung berechtigter Interessen der Vermieter.
Sabina Revoli (64) ist Transporthelferin im Rettungswesen, Kantonsrätin der SVP und Präsidentin der SVP Kreis Rorschach. Sie ist in Tübach wohnhaft, verheiratet und Mutter dreier erwachsener Kinder.
Andrea Schöb (SP) aus Staad, im Kantonsrat St.Gallen seit 2017
Wieso empfehlen Sie eine Ablehnung der Änderung des Mietrechtes bezüglich Eigenbedarfs?
Der Kündigungsschutz der Mieterinnen und Mieter wird geschwächt. Somit ist dies eine Schwächung des Mieterschutzes und die Mieterinnen und Mieter haben weniger Rechte als heute. Die Vermieterinnen und Vermieter können künftig einfacher und schneller Wohnraum kündigen.
Bisher kann der Vermieter bei einer Kündigung den «dringenden» Eigenbedarf geltend machen. Bei einer Annahme genügt es, wenn der Eigenbedarf «bedeutend und aktuell» ist. Können Sie unserer Leserschaft den Unterschied dieser Formen des Eigenbedarfes erläutern?
Ich bin keine Juristin und kenne den juristischen Unterschied nicht.
«Dringend» bedeutet für mich, wenn etwas zu einem bestimmten Zeitpunkt in nächster Zukunft erledigt werden muss. Etwas was «bedeutend» ist, ist etwas mit besonderem Gewicht oder besonderer Tragweite und «aktuell» bedeutet in unmittelbarer Gegenwart.
Bund und Parlament finden, dass Eigentümer eine vermietete Wohnung rasch selbst bewohnen oder ein vermietetes Geschäftslokal rasch selbst nutzen können sollen – insbesondere nach einem Kauf der Liegenschaft. Aus diesem Grund die Anpassung des Mietrechtes beim Eigenbedarf (siehe Abstimmungsbüchlein S.40). Was spricht dagegen?
Der heutig geltende Mieterschutz! Die Leerwohnungsziffer ist seit Jahren sinkend. Im Jahr 2021 betrug sie noch 1,54, im 2024 1,08. Diese Tendenz zeigt klar auf, dass Mieterinnen und Mieter nicht mehr so einfach ein neues Zuhause finden.
Das Referendumskomitee unterstellt Vermietern, sie würden den Eigenbedarf vorschieben, um einfacher kündigen zu können und danach die Wohnung teurer neu vermieten zu können (siehe Abstimmungsbüchlein S.38). Was sagen Sie dazu?
Mieterwechsel bedeuten häufig auch eine Erhöhung der Mietpreise. Dies kurbelt die Mietzinsspirale noch stärker an und lässt die Rendite der Immobilienkonzerne auf Kosten der Mieterinnen und Mieter weiter steigen. Bezahlbarer Wohnraum für finanzschwache Menschen wird noch schwieriger zu finden sein.
Andrea Schöb (53) ist seit 2017 Mitglied der SP Fraktion und Kantonsratspräsidentin 2023/24. Sie wohnt in Buechen-Staad. Als Führungsexpertin NDS HF mit einem Executive Master in Business Administration FH arbeitet sie heute bei der Gebäudeversicherung St.Gallen als Leiterin Intervention/Feuerwehrinspektorin.
Von Claudia Eugster.
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