Die Chefin
Beatrice Mock vom Verein Schlofftheater in Rorschach
Im zweiten Teil des grossen Interviews nimmt Hanspeter Krüsi, Leiter Kommunikation Kantonspolizei St.Gallen, Stellung zu aktuellen Themen wie beispielsweise dem Problem der «Autoposer», zunehmenden «Autoeinschleichdiebstählen», Belästigungen im öffentlichen Verkehr und er lässt hinter seine Fassade als Mediensprecher blicken.
Region Nachdem die Polizei im vergangenen Herbst gezwungen war, Polizeistationen in der Region temporär zu schliessen wurde vermehrt Kritik laut. Hanspeter Krüsi erklärt im zweiten Teil des grossen Interviews, warum es dieses Jahr nicht mehr notwendig war und gibt Auskunft zu aktuellen Themen. Er spricht aber auch von hetzenden Onlineredaktionen und dem gesunkene Respekt mancher Bevölkerungsschichten gegenüber der Polizei.
Zweiter Teil des grossen Interviews mit Hanspeter Krüsi, Leiter Kommunikation Kantonspolizei St.Gallen.
Herr Krüsi, nachdem Sie im ersten Teil über den Polizeiberuf an sich gesprochen haben, lassen Sie uns nun konkret auf die aktuelle Situation der Polizei eingehen.
Im letzten Herbst musste die Polizei gewisse Polizeistationen in der Region Rorschach und Umgebung temporär schliessen. Dieses Jahr war dies nicht mehr nötig. Wie konnten dieses Jahr Schliessungen vermieden werden?
Die Kantonspolizei St.Gallen sah sich gezwungen, aufgrund verschiedener Entwicklungen diverse Polizeiposten zu schliessen. Mit diesen Massnahmen konnten wir sicherstellen, dass die Verfügbarkeit von polizeilichen Einsatzmitteln jederzeit gewährleistet war. Weiter haben die Massnahmen dazu geführt, dass keine weiteren Polizeistationen mehr geschlossen werden mussten. Wir werten dies als Zeichen des Erfolgs.
Wie viele Leute zählt das Polizeikorps gegenwärtig?
Im Moment arbeiten bei der Kantonspolizei St.Gallen knapp 1'000 Mitarbeitende, davon rund 750 ausgebildete Polizistinnen und Polizisten. Nicht alle sind in einem 100 Prozent Pensum angestellt.
Wie wird mit Überstunden umgegangen?
Wir versuchen Überstunden zu kompensieren, was leider nicht überall gelingt. In einzelnen Fällen werden diese Stunden ausbezahlt.
Was wird unternommen um weitere Polizistinnen und Polizisten zu rekrutieren?
Das Wichtigste ist, dass uns die finanziellen Mittel vom Kantonsrat zur Verfügung gestellt werden.
Mit wirkungsvollen Werbemassnahmen werden wir dann versuchen, geeignete Mitarbeitende zu rekrutieren. Wir müssen die Bedingungen schaffen und erhalten, dass wir weiterhin ein attraktives fortschrittliches Polizeikorps bleiben.
Wie geht die Polizei gegen die sogenannten «Autoposer» vor?
Die Kantonspolizei St.Gallen führt an neuralgischen Punkten Verkehrskontrollen durch und büsst fehlbare Lenkerinnen oder Lenker konsequent.
Was unternimmt die Polizei gegen die zunehmenden «Autoeinschleichdiebstähle» im Kanton St.Gallen?
Es handelt sich hierbei meist um junge Männer aus den Maghreb-Staaten, die hochmobil in der ganzen Schweiz unterwegs sind. Kontrollfahrten der Kantonspolizei St.Gallen wirken als Abschreckung nur bedingt. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass hier die Prävention und die Sensibilisierung der Bevölkerung die beste Vorsichtsmassnahme zur Verhinderung von solchen Delikten ist. Dazu kommt, dass wir die Täter in vielen Fällen ermitteln und bestrafen konnten, was sich herumspricht und so wiederum eine abschreckende Wirkung hat.
Immer öfters liest man von Belästigungen, Pöbeleien bis hin zu tätlichen Angriffen mit krankenhausreif geschlagenen Opfern im öffentlichen Verkehr oder an Bahnhöfen. Was unternimmt die Polizei dagegen und wie können sich die Benützerinnen und Benützern des öffentlichen Verkehrs schützen?
Es ist in der Tat so, dass die Anzahl der Straftaten tendenziell zunimmt. Dieser Tendenz versuchen wir entgegenzuhalten, indem wir an hochfrequentierten Orten vermehrt Präsenz zeigen. Wir setzen auch auf die Zusammenarbeit mit Sicherheitsdiensten, welche die Polizei punktuell entlasten können. Gerade an einem schönen Wochenendtag sind die Einsatzzahlen für uns konstant hoch. Es ist hier jedoch auch wichtig festzuhalten, dass durch die mediale Berichterstattung das Bild der öffentlichen Sicherheit auch beeinflusst werden kann. Wir leben weiterhin in einem Land, in dem man sich sicher und frei in der Öffentlichkeit bewegen kann. Straftaten sind und bleiben eher die Regel als die Ausnahme.
Was beschäftigt die Polizei aktuell sonst noch?
Der Anstieg von Straftaten kombiniert mit dem Fachkräftemangel stellt die Polizei vor grosse Herausforderungen. Wir sind auf gut ausgebildetes Personal angewiesen und müssen als Arbeitgeber attraktiv bleiben. Daneben sind wir von allen gesellschaftlichen Entwicklungen – sei es der Klimawandel, die Migration oder die Digitalisierung – immer auch betroffen, weshalb diese Themen uns beschäftigen und auch weiterhin beschäftigen werden.
Und zum Abschluss, lassen Sie uns noch etwas hinter den Polizeisprecher auf den Mann Hanspeter Krüsi blicken.
Was war die grösste Herausforderung, welche Sie im Rahmen Ihrer Tätigkeit bei der Polizei meistern mussten?
Die Zeit während Corona. Da stand die Polizei zwischen Befürwortern und Gegnern der Massnahmen. Als Sprecher und «Kopf» der Polizei wurde ich massiv kritisiert und persönlich in Mails und brieflichen Zuschriften angegriffen und auch zum Rücktritt aufgefordert.
Welches war bisher das schönste Erlebnis während Ihrer Tätigkeit bei der Polizei?
Dass ich vor 15 Jahren zum Leiter der Kommunikation der Kantonspolizei St.Gallen gewählt wurde.
Wie gehen Sie mit schwierigen Situationen und schlimmen Ereignissen um, mit denen Sie bei der Arbeit konfrontiert sind?
Ich lasse es nicht allzu nahe an mich herankommen. Bei schweren Ereignissen versuche ich die schlimmsten Bilder, wenn es nicht sein muss, nicht mehr anzuschauen. Ich habe schon so viele tote Menschen gesehen, dass ich dies nicht mehr sehen will, wenn es meine Aufgabe als Polizeisprecher nicht erfordert. Das heisst, es reicht zu wissen, wenn bei einem Verkehrsunfall ein Mensch stirbt. Dies kann ich kommunizieren, ohne dass ich den Leichnam sehen muss.
Wie hat sich der Polizeiberuf im Laufe der Jahre verändert?
Der hat sich so verändert, wie die Gesellschaft es auch tut. Wir sind letztlich ein Abbild der Gesellschaft und müssen neue Trends oder Entwicklungen stets mitmachen. Sicher ist der Respekt gewisser Bevölkerungsschichten gegenüber der Polizei gesunken.
Welchen Einfluss hat beispielsweise die Digitalisierung?
Dies hat sicher einen grossen Einfluss auf unsere Arbeit und wird auch weiterhin so bleiben.
Welche Thematiken wurden wichtiger, welche weniger? Welche Veränderungen bemerken Sie persönlich im Arbeitsalltag?
Die Geschwindigkeit im meinem Bereich der Kommunikation hat sich enorm verändert. Die Leserreporter und die Onlineredaktionen hetzen uns massiv. Einen Redaktionsschluss gibt es nicht mehr. Das Ereignis sollte schon fast kommuniziert werden, bevor es sich ereignete und dies 24 Stunden jeden Tag.
Was bringt Ihnen wirklich Erholung?
Ferien weit weg vom Geschehen.
Wie kann der Staat die Polizei bei Ihrer Arbeit unterstützen?
Indem er erkennt, dass Sicherheit in unserem Land zentral ist und deshalb auch bereit ist, diese zu finanzieren und uns die notwendigen personellen Mittel zur Verfügung zu stellen.
Welche Vision haben Sie für die Polizei?
Dass die Kantonspolizei St.Gallen auf breite Unterstützung der Bevölkerung und der Politik zählen kann und wir uns dadurch weiterhin als führendes Polizeikorps in der Schweiz behaupten können.
Und wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Hoffentlich gesund in der Pension.
Vielen Dank für das Interview und Ihre Offenheit.
Von Claudia Eugster.
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