Patrick Benz
erschuf beim Stadtbahnhof Rorschach ein Naturschutz Denkmal.
Müsste man einen passenden Standort für ein Museum suchen, das sich der Geschichte der Landwirtschaft widmet, dann würden viele Argumente für den jetzigen Standort in Ruggisberg sprechen. Denn die umfunktionierte Scheune bietet nicht nur viel Platz für grosse historische Maschinen, sondern sie liegt auch in einem Idyll, das die Landwirtschaft von ihrer besten Seite zeigt.
Ruggisberg Obwohl das Regionale Landwirtschaftsmuseum Ruggisberg erst diesen Sonntag, 27. April, das erste Mal in diesem Jahr die Türen für die Öffentlichkeit öffnet, gewährte Museumspräsident Christian Würth schon letzte Woche Einblick in die zum Museum umgebaute Scheune. Und was sich nach ausgiebigen Frühlingsputz einer Schar «Fronarbeiter» in und ums Museum zeigte, ist definitiv auch für nicht an Landwirtschaftsgeschichte Interessierte ein Besuch wert.
Glockengöppel, Chaisengeschirr, Maikäfer-Spritze, Heinze, Balleisen, Ziegerlistecher, Stägäfässli, Habegger, Zweikurs und Waldteufel – so heissen nur einige der Ausstellungsobjekte, auf die man in der Scheune in Ruggisberg trifft. Alles Worte, die einem «Uneingeweihten» nichts sagen und die wenig Raum für eine Spekulation oder eine Interpretation lassen. Doch es gibt auch historische Artefakte, die mit ihrem Namen mehr über ihre Funktion preisgeben. So zum Beispiel ein Bremenkessel aus dem Jahr 1950, eine Kettensäge aus dem Jahr 1940, eine Strohballenpresse aus dem Jahr 1937, eine Gulaschkanone der Schweizer Armee aus dem Jahr 1909 und ein Kühlfass aus dem Jahr 1880.
Die Vielfalt an verschiedenen Werkzeugen und Maschinen ist eindrücklich, in jeder Ecke erblickt man wieder etwas, das einem völlig unbekannt ist, aber höchstinteressant aussieht. Viele der Ausstellungsobjekte seien zwar heute nicht mehr in Gebrauch, doch würden sie ein gutes Bild von anno dazumal zeichnen, ist Christian Würth überzeugt: «Die Gegenstände zeigen, wie viele Geräte und Leute ein kleiner Hof damals brauchte. Heute dreht man einfach den Schlüssel um und alles läuft automatisch – da muss man nicht zuerst das Pferd füttern, putzen, striegeln, ihm das Geschirr anlegen und es dann noch einspannen.»
Der Museumspräsident kennt sich in seinem Reich bestens aus, weiss zu fast jeder Maschine etwas zu sagen und hat viele Geschichten zu erzählen, in denen die Gegenstände noch keine Ausstellungsobjekte, sondern Protagonisten waren. «Ich bin so aufgewachsen. Hier fühle ich mich definitiv in meinem Element», erklärt Christian Würth. Was dem in Berg wohnhaften Landwirt sicherlich auch als Erinnerungsstütze hilft, ist der Umstand, dass viele der ausgestellten Gegenstände und Maschinen nicht nur beschildert und teilweise kurz beschrieben, sondern häufig auch mit dem Namen des Landwirts versehen sind, aus dessen Besitz sie den Weg ins Museum gefunden haben.
Obwohl das Museum ziemlich voll ist und man zusätzlich noch eine Lager-Scheune gefüllt mit weiteren Gegenständen in Egnach habe, freue man sich doch immer darüber, wenn die Sammlung um etwas Spezielles erweitert werde, sagt Christian Würth: «Wir werden oft nach Todesfällen angefragt, ob wir Verwendung für nicht mehr gebrauchte Maschinen oder Gegenstände hätten. Handelt es sich dabei um Unikate, die eine Geschichte erzählen und die wir noch nicht in unserer Ausstellung haben, sind wir natürlich immer interessiert.»
Gerade in der jetzigen Jahreszeit hat das Landwirtschaftsmuseum Ruggisberg jedoch viel mehr zu bieten als eine grosse Sammlung an historischen Gegenständen und Maschinen. Denn der Ruggisberg ist nicht nur in eine wunderschöne Landschaft mit Wiesen, Plantagen und Wäldern eingebettet, sondern bietet auch eine einmalige Weitsicht. Während auf der einen Seite der Alpstein den Horizont bildet, ist auf der anderen ein Grossteil des Bodensees sichtbar. Obstbäume zeigen sich in ihrem schönsten weissen Frühlingskleid, Löwenzahn und andere Wiesenblumen schenken Farbtupfer, die das Grün der Wiesen und das Blau des Himmels kontrastieren. Und dann steht da auch noch eine kleine Kapelle, die dem Idyll das Tüpfchen auf das «i» setzt. «Die Kapelle wurde 1683 gebaut und 'Maria zum Siege' gewidmet. Einst stand sie neben einem Schloss, doch das wurde 1948 abgerissen – für so etwas würde Dich die Denkmalpflege heute aufhängen», sagt Christian Würth und schmunzelt.
Dass das Landwirtschaftsmuseum Ruggisberg als «regional» bezeichnet wird, liegt daran, dass es von zehn Gemeinden getragen wird. Dies sind Häggenschwil, Egnach, Berg, Gaiserwald, Muolen, Roggwil, Steinach, Tübach, Waldkirch und Wittenbach. Somit ist das Museum nicht nur regional, sondern auch überkantonal. Jährliche Beiträge müssen jedoch nur neun der Träger ausrichten, erklärt der Museumspräsident: «Die Gemeinde Häggenschwil hat die Scheune im Jahr 2003 für 100'000 Franken gekauft. Darum haben sie jetzt auch keinen Jahresbeitrag von 1000 Franken wie die anderen neun Gemeinden auszurichten.» Initiant und langjähriger Kustus des Museums sei Edwin Germann gewesen, der eben in Häggenschwil zu Hause sei.
Obwohl der Betrag nicht riesig ist, kommen die Betreiber gut durch mit dieser Zuwendung. Es würden zwar noch Investitionen in eine neue Beleuchtung anstehen, doch dafür würde man bestimmt wieder einige grosszügige Sponsoren finden. Und man könne auch immer auf die tatkräftige Unterstützung eines engagierten Teams zählen, so Christian Würth: «Wir haben 25 Helferinnen und Helfer, die das Museum unter der Leitung von Gabi Hämmerli in Schwung halten, Führungen machen und immer viel Einsatz zeigen. Als Lohn erhalten sie jeweils einen grosszügigen Znüni und sie werden einmal im Jahr zu einem Frondienst-Anlass eingeladen.»
Apropos Znüni: Dass dessen Stellenwert in neuerer Zeit bedauerlicherweise viel an Wichtigkeit verloren hat, kann auch in der Ausstellung in Erfahrung gebracht werden. Denn einst gab es auf den Höfen tatsächlich einmal Znüni-Wägeli. «Früher hatte man zumindest dafür noch Zeit», meint Christian Würth beim Anblick des hölzernen Wagens.
Diesen Sonntag beginnt die 20. Saison für das Landwirtschaftsmuseum mit einem Tag der offenen Tür unter dem Motto «Alles in Butter». Solche spannenden Themenanlässe seien das Verdienst von Museumsleiterin Gabi Hämmerli, unter deren Führung das Museum so richtig aufblühe, sagt Christian Würth. Weil darum wohl auch am Sonntag einige Gäste den Weg auf den Ruggisberg finden werden, um selbst einmal von Hand Butter herzustellen, stellt sich einem unweigerlich die Frage, wo denn all die Besucherinnen und Besucher, die nicht mit Velos, sondern mit Traktoren und anderen motorisierten Gefährten auftauchen, eine Parkgelegenheit finden. Doch auch auf diese Frage hat Christian Würth eine einfache Antwort: «Wir haben grosszügige Nachbarn, die unkompliziert und tolerant sind. Wir haben noch immer irgendwo auf einer Wiese Platz gefunden.» Und wenn diese vorgängig noch kurz gemäht werdenmüsse, dann lege das Team desLandwirtschaftsmuseums natürlich selbst Hand an. Das Problem, das sich bei solchen Tätigkeiten jeweils stelle, sei die Wahl der Maschine. Denn selbstverständlich stehe für solche Arbeiten nicht nur ein Rasenmäher zur Verfügung: «Jede Maschine im Museum funktioniert, dafür sorgen Fridolin Mäder und Christian Maag, unsere Zuständigen für den Gebäude- und Maschinenunterhalt. Vorletzten Samstag haben die 'Frondienster' zudem alles noch entstaubt und frisch geölt.»
Aufgrund all dieser Gegebenheiten ist es gut vorstellbar, dass ein Besuch im Landwirtschaftsmuseum Ruggisberg für viele zu einer Reise in die Vergangenheit wird – insbesondere für jene, die auf einem Bauernhof aufgewachsen sind oder zumindest die dortige Luft kennen. Alle anderen Gäste erhalten einen Einblick in die Welt unserer Vorfahren, in eine Zeitepoche, die nicht so weit zurückliegt, aber leider dennoch fast unvorstellbar geworden ist.
David A. Giger
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