Die Chefs
Fabio Rohrer und Roger Küng von BikeNinja in Rorschach
Wer kennt ihn nicht, den «Jö-Effekt», den Jungtiere in einem hervorrufen. Ähnlich geht es einem bei einem Spaziergang durch den Garten von Roland Heule. Hier finden sich einheimische Bäume im Miniatur-Format, denn der Obersteinacher zieht seit nunmehr 35 Jahren Bonsai aus einheimischen Baumarten.
Porträt Vor ungefähr 35 Jahren begann Roland Heule Bonsai zu gestalten. Angefangen hat der in Obersteinach wohnhafte 72-jährige mit diesem kreativen Hobby damals, weil er etwas suchte, wodurch er von seinem stressigen Job abends abschalten konnte. Vor 14 Jahren entstand durch eine Abspaltung von der «Bonsaigruppe Bodensee» dann der Verein «IG Bonsai St.Gallen». Die ersten zehn Vereinsjahre war Roland Heule der Präsident. Die IG Bonsai St.Gallen trifft sich immer am letzten Dienstag des Monats im Botanischen Garten St.Gallen, um Gedanken und Erfahrungen rund um das Thema Bonsai auszutauschen. «Bonsai zu pflegen und zu formen ist ein wunderbares Hobby. Es verlangt Kreativität und macht unheimlich Freude», so Roland Heule. Schnuppergäste seien bei den monatlichen Treffen der IG Bonsai jederzeit herzlich willkommen und man freue sich über jedes neue Mitglied.
Getreu dem Leitspruch des Bonsai-Meisters John Yoshio Naka «Macht nicht Bäume, die aussehen wie Bonsai, macht Bonsai, die aussehen wie Bäume» versuchen die Mitglieder der IG Bonsai St. Gallen aus Baumschulpflanzen oder aus in der Natur gefundenen Bäumchen Bonsai zu gestalten. Roland Heule pflegt keine sogenannten Indoor-Bonsai, die auch für die Wohnung geeignet wären, sondern seine Bonsai sind aus Pflanzen entstanden, die bei uns in der Natur zu finden sind und deshalb auch entsprechend im Freien zu halten sind. So finden sich in seinem Garten in Obersteinach nur Miniaturen von Bäumen aus einheimischer Vegetation, die auch problemlos draussen überwintern. Die besondere Herausforderung, die sich Roland Heule hier stellt, ist es, dass auch die Blätter seiner Bonsai so klein wachsen, dass sie proportional zum Miniatur-Baum passen und nicht die Grösse haben, die sie hätten, wenn der Baum hochgewachsen wäre. «Ich nehme mehrmals im Jahr einen Blattschnitt vor, das führt zu kleineren Blättern», verrät der Bonsai-Gestalter sein Geheimnis. Ein Blattschnitt bedeute, dass alle Blätter eines Baumes abgeschnitten werden. Dadurch sei der Baum gezwungen, neue Blätter zu treiben, was zu einer grösseren Verzweigung und reduzierter Blattgrösse führe. Roland Heule zeigt einige frisch dem Blattschnitt unterzogene Bonsai, welche gänzlich blattlos sind. «Dies ist für den Baum jedoch sehr kräftezehrend, weshalb man es nur bei gesunden Bonsai machen sollte», warnt er. Dann zeigt er einen Kastanien-Bonsai mit Miniatur-Blättern und kommentiert stolz: «Den haben meine Kinder damals vor 35 Jahren gesetzt.»
Aber nicht alle Bonsai, welche Roland Heule bei sich pflegt, sind aus Samen oder Setzlingen gezogen, einige davon sind auch sogenannte «Yamadori» (Yamadori bedeutet «Sammeln in der Natur»). «Seit 25 Jahren gehe ich gemeinsam mit immer den gleichen Leuten auf Yamadori-Tour. Dazu machen wir jeweils eine Wanderung ins Hochgebirge», so der Obersteinacher. Für uns interessant sind Jahrzehnte alte Bäume, die nur höchsten 50 bis 100 Zentimeter hoch sind, weil sie im Hochgebirge stehen und daher pro Jahr nur eine sehr kurze Vegetationszeit haben, in der sie auch entsprechend wenig wachsen. Solche Bäume eignen sich sehr gut zur Gestaltung von Bonsai. «Natürlich muss erst der Förster gefragt werden, aber dann graben wir den Baum mit möglichst vielen Wurzeln aus und nehmen ihn mit nach Hause», erzählt Roland Heule weiter. Zuhause braucht es dann natürlich viel Hege und Pflege, dass ein Bonsai daraus wird, aber auch hiervon hat Roland Heule einige bei sich im Garten stehen. So viele, dass er nicht einmal die genau Anzahl weiss. «In gewisser Weise wird es zu einer Sucht», sagt Roland Heule schmunzelnd. Es schmerzt natürlich den Bonsaifreund sehr, wenn einer seiner «Lieblinge» eingeht. «Das kann den besten Pflegern passieren. Man merkt, dass etwas nicht stimmt und versucht alles, um den Bonsai zu retten. Aber manchmal helfen alle Massnahmen nicht und ein Baum, den man 20 Jahre gehegt und gepflegt hat, geht ein», Roland Heule zuckt mit den Schultern. Ein Baum sei am Ende halt ein Naturprodukt, das müsse man akzeptieren, aber ein, zwei Tränen verdrücke er dann jeweils schon. Aus diesem Grund wird bei der IG Bonsai St.Gallen insbesondere Neueinsteigern mit Rat und Tat zur Seite gestanden und ein «Götti» hilft zum Beispiel beim Umtopfen im Frühling oder bei anderen Massnahmen zur Baumgestaltung, damit die Neulinge möglichst am Anfang gleich ein Erfolgserlebnis mit ihren Bonsai haben.
Ziel des Bonsai-Züchters sei es, dass der Baum möglichst alt und ehrwürdig aussehe, erklärt Roland Heule. Die Äste sollen nicht wie bei jungen Bäumen nach oben streben, sondern, eher nach unten zeigen, wie dies bei alten Bäumen der Fall ist, weil sie durch Schneelast und Eigengewicht nach unten gedrückt wurden. «Um dies zu erreichen, bedienen wir uns der Technik des 'Drahtens' zum Formen der Bäume», sagt Roland Heule und zeigt auf einen Bonsai, um dessen Äste er Drähte gewunden hat, damit er sie nach unten biegen konnte. Der Prozess des 'Drahtens' dauere oft mehrere Jahre, aber: «Wenn sich die Form schliesslich verfestigt hat, kann man den Baum 'entdrahten'», erklärt der Experte. Wie genau das 'Drahten' funktioniert, auch das zeigen die Mitglieder der IG Bonsai St.Gallen Neulingen gerne. Zudem geben sie gerne weitere Tipps zur Baumgestaltung, oder über die Zusammensetzung des Nährbodens für den Bonsai, denn es wird keine Erde verwendet. Auch Roland Heule hat seine ganz eigene Mischung, die er Interessierten gerne preisgibt.
Der Verein Interessengemeinschaft Bonsai St. Gallen wurde im August 2009 gegründet. Es ist eine kleine Gruppe von Gleichgesinnten mit der Intention, Bäume in Schalen zu gestalten und zu pflegen. Der Verein ist für alle Bonsai-Liebhaberinnen und -Liebhaber offen, die dieses faszinierende, kreative Hobby ausüben möchten. Einsteiger und Ratsuchende sind genauso willkommen wie Fortgeschrittene und Profis. Die Mitglieder der IG Bonsai St.Gallen treffen sich einmal im Monat im Botanischen Garten St.Gallen um Gedanken und Erfahrungen auszutauschen sowie theoretische und praktische Informationen weiterzugeben, Bäume zu analysieren, zu gestalten und das Hobby mit Freunden zu teilen. Einmal pro Jahr organisiert der Verein eine kleine Börse, an der die Mitglieder einen Teil ihrer Bäume, Werkzeuge und Schalen zur Versteigerung bringen. Ausserdem wird jährlich eine kleine Wanderung mit den Familienangehörigen veranstaltet, bei der sich Jung und Alt trifft und das Gesellschaftliche des Vereines genossen werden kann. Für die Mitglieder werden zudem pro Jahr ein bis zwei Workshops mit bekannten Bonsai-Gestaltern organisiert. Bei wem nun das Interesse geweckt wurde, der kann Kontakt aufnehmen unter info.bonsai@gmx.ch oder aber gleich zum nächsten Treffen im Botanischen Garten am Dienstag, 30. Juli zum Schnuppern kommen.
Von Claudia Eugster.
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