Der Chef
Marc Pahud von der Panettonerei Schweiz GmbH in Tübach
Vom 11. bis 22. November fand in Aserbaidschan die Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP29) statt. Mit dabei aus Rorschach und Umgebung war der engagierte Student Leonhard Kick aus Untereggen. Im Folgenden berichtet er, was auf globaler Ebene geschieht und was er lokal tut.
Untereggen/Baku Wenn Leonhard Kick nicht gerade in den Hörsälen der Universität St.Gallen sitzt und Internationale Beziehungen studiert, dann pflanzt der junge Unteregger als Mitinitiator des Naturschutzprojektes «ArborMundi» mit anderen engagierten Freiwilligen in Rorschach und Umgebung und in der Ostschweiz Hecken und Bäume; die Bodensee Nachrichten berichteten in Ausgabe Nr.16/24 auf Seite 4 über den Einpflanztag 2024.
Seit Herbst 2021 gibt es «ArborMundi», eine Organisation gegründet von den vier engagierten Studenten Leonhard Kick aus Untereggen, Tobias Lippuner aus Flawil, Mohammed El-Haj aus Arbon und Vivien Lauer aus Bern. Entstanden ist die noch junge Naturschutzorganisation aus dem Naturschutzprojekt «Naturperlen», das Leonhard Kick und Tobias Lippuner initiierten. Die Idee dazu kam den beiden durch ihr Startup «FruchtX», das sie 2020 gründeten und das Ostschweizer Studentenfutter ausschliesslich aus regionalen Zutaten von einheimischen Hochstammbäumen vertreibt. Ziel der jungen Ostschweizer Naturschutzorganisation «ArborMundi» ist es, einen Beitrag zur regionalen und lokalen Biodiversität und zum Klimaschutz zu leisten. In Zusammenarbeit mit verschiedenen politischen Gemeinden, Landwirten, Kirchengemeinden und anderen lokalen Akteuren und Partnern in der Ostschweiz werden regionale, ungenutzte Flächen biologisch aufgewertet und so Biodiversitäts-Oasen für einheimische Vögel, Insekten und Kleinwild geschaffen. Konkret werden auf der Basis von Crowdfunding durch individuelle Spenden von Privatpersonen über die Plattform lokalhelden.ch Bäume und Hecken in Rorschach und Umgebung und in der Ostschweiz gepflanzt. «Inzwischen konnten wir bereits vierten Mal einen sogenannten ‘Einpflanztag' durchführen», erzählt Leonhard Kick stolz und er erklärt weiter: «Wir haben uns gefragt, wie wir einen Beitrag leisten könnten um die Natur zu schützen, dies lokal vor Ort und ohne viel Bürokratie. Das funktioniert so: Wir telefonieren viel und schreiben E-Mails um Leute für unsere Idee zu begeistern um so Flächen zu finden, wo wir Bäume pflanzen können oder um Spenden für die ‘Einpflanztage’ zu sammeln.» Im Mühltobel 8 in Rorschacherberg wurden als einem von mehreren Standorten in der Ostschweiz mit diesen Spenden am 29. März 2024 am vierten 'Einpflanztag' von ArborMundi 10 Bäume und 90 Hecken gepflanzt. Aber das ist noch nicht alles: «Wir versuchen noch mehr junge Leute zu motivieren, mit zu machen, indem wir zeigen, dass man nicht viel Erfahrung oder Geld braucht, sondern Wille und Engagement um etwas in der Welt zu verändern», sagt der Unteregger Umweltschützer. Und sei es also nur, dass dank dem Engagement der Freiwilligen von ArborMundi die lokale und regionale Biodiversität gefördert wird. «Wir pflanzen nur regionale und einheimische Bäume und Hecken», so der 21-jährige HSG-Student der Internationalen Beziehungen. Dies inzwischen nicht mehr nur lokal und regional, sondern auch national: Demnächst steht ein 'Einpflanztag' im Raum Zürich an. «ArborMundi ist inzwischen vom kleinen Naturschutzprojekt 'Naturperlen' auf dem Weg zu einer richtigen Naturschutzorganisation», so Leonhard Kick freudig.
Jüngst wurde berichtet, dass die Schweiz sich im jährlichen Klimaschutz-Index um zwölf Plätze verschlechterte und nun Rang 33 belegt. Wer weiss inwieweit das regionale und lokale Naturschutzprojekt «ArborMundi» in diese Statistik einfloss, aber obwohl das zivile Engagement durch solche regionale und lokale Naturschutzprojekte gross ist, braucht es mehr Engagement von den Staaten, findet Leonhard Kick. Darum reiste der 21 Jahre junge Unteregger Umweltschützer als Delegierter der Non-Profit-Organisation «Schweizer Jugend fürs Klima» an die Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP29), welche vom 11. bis 22. November in Baku, Aserbaidschan, statt fand. Im folgenden Interview berichtet er über diese Klimakonferenz, seine persönlichen Ziele und die Erfahrungen vor Ort:
Redaktion: Herr Kick, provokative Standardfrage: Wie sind Sie denn an die COP29 gereist?
Leonhard Kick: Mit dem Flieger. Aserbaidschan hat momentan die Landesgrenzen geschlossen und die Einreise ist nur mit dem Flugzeug möglich. Aber immerhin nicht mit dem Privatjet. [zwinkert mit einem Schmunzeln]
Redaktion: Was passiert überhaupt an einer Klimakonferenz wie COP29?
Leonhard Kick: Jedes Land sendet eine Delegation und es werden verschiedene Schwerpunkte des grossen Themas des Klimawandels verhandelt und wie der Mensch damit umgeht. Zum Beispiel, wer für den Klimawandel bezahlen soll, wie sich an die Konsequenzen des Klimawandels anpassen oder auch wie die Klimaerwärmung auf ein Minimum beschränkt werden kann. Auf all diesen verschiedenen Schienen finden Verhandlungen statt mit dem Ziel, dass am Ende ein rechtlich bindender Vertrag zustande kommt, wie das berühmte Pariser Klimaabkommen von 2015.
Redaktion: Lassen Sie uns etwas ausholen: Welt-Klimaverhandlungen in Ölstaaten und das dritte Mal in Folge, Minister und Wirtschaftsvertreter die in Privatjets anreisen, zähe und langsame Verhandlungen mit teils wenig Resultaten – das, was generell über die UN Klimakonferenzen berichtet wird, zeichnet ein düsteres Bild. Wieso muss dann genau noch eine NGO wie die «Schweizer Jugend fürs Klima» mit Ihnen als Delegierten mit dabei sein, wenn es sowieso nur die Staaten sind, die hier Entscheidungen treffen?
Leonhard Kick: Politische Verhandlungen, wie etwa die Conference of the Parties (COP) wie sie gerade erst in Baku statt fand, werden zwar von Staaten geführt aber sehr viel passiert hier auch auf informeller, zwischenmenschlicher Ebene und 30 Jahre an Konferenzen haben gezeigt, dass wir als Teil der Zivilgesellschaft durch Druck, Medienarbeit, Brückenbilden und konstruktive Vorschläge die Resultate dieser Konferenzen stark beeinflussen können. Die rechtlichen Texte, die hier entstehen, sind nicht nur ein starker Treiber von nationalen, staatlichen Klimaschutz- und Anpassungsmassnahmen, sondern senden auch wichtige Signale an die globale Wirtschaft und haben somit enorme Auswirkungen auf die Entwicklung der Gesellschaft und das Leben von besonders uns jungen Generationen. Deshalb ist es so wichtig, dabei zu sein und den Ländern kritisch auf die Finger zu schauen. Auch wenn die Klimaverhandlungen oft zäh und langsam wirken, müssen wir uns
bewusst sein, dass sie im Moment
die einzige funktionierende globale Plattform sind und wir benötigen eine globale Plattform für ein globales Problem wie die Klimakrise. Der UN-Sicherheitsrat und die Welthandelsorganisation sind de facto geblockt und nur an den COPs werden noch rechtlich bindende, globale Verträge abgeschlossen.
Die Jugendlichen, die aus der ganzen Welt am COP 29 für heutige und zukünftige Generationen einstehen, engagieren sich natürlich nicht nur während dieser zwei Wochen von Verhandlungen, sondern sind das ganze Jahr aktiv in verschiedenen lokalen und regionalen Projekten. Jedoch sind die UN Konferenzen eine wichtige Gelegenheit, unsere Bedürfnisse, Forderungen aber auch Beiträge auf der Ebene der internationalen Politik zu äussern und sich mit Gleichgesinnten aus der ganzen Welt auszutauschen, um dabei Energie, Inspiration und Hoffnung zu gewinnen. Häufig entstehen dadurch neue Partnerschaften und Projekte und es gibt regen Austausch von Ideen und Strategien.
Redaktion: Was waren die zentralen Themen an der COP29 dieses Jahr?
Leonhard Kick: Im Zentrum der diesjährigen Verhandlungen stand die Frage: Wer zahlt für die Klimaschutz- und Anpassungsmassnahmen aber auch für die entstandenen Schäden im Kontext der Klimakrise und wie viel Geld wir bis wann, wie und an wen fliessen? Dabei sollte konkret ein «neues, gemeinschaftliches, quantitatives Ziel», auch NCQG genannt, für die Klimafinanzen verhandelt werden, um ab 2025 das alte Ziel von 100 Milliarden Dollar pro Jahr von Entwickelten an Entwicklungsländer abzulösen.
Redaktion: Konnten Sie sich in die Verhandlungen einbringen und wenn ja wie?
Leonhard Kick: An der COP agiere ich nicht als Individuum, sondern bin Teil von YOUNGO, der offiziellen UN-Interessenvertretung für die Stimmen, Bedürfnisse und Forderungen von Kindern und Jugendlichen. Auch Länder stehen nicht alleine, sondern sind Teil von überlappenden Interessensgruppen. Als Teil von YOUNGO war ich besonders in der thematischen Arbeitsgruppe Klimafinanzen aktiv, mit der wir den Verhandlungen folgten und die Positionen der einzelnen Ländergruppen analysierten um mit konkreten Forderungen und konstruktiven Vorschlägen auf einzelne Delegationen zugehen zu können in sogenannten «Bilaterals» – informellen, bilateralen Gesprächen. Daneben war ich noch an einer Pressekonferenz, der Moderation einer Veranstaltung, in der Organisation von YOUNGO und natürlich bei Medienmitteilungen zurück in die Schweiz aktiv. Auch wenn man als Einzelperson nur ein kleines Rädchen im Getriebe ist, sehe ich es dennoch als unglaublich wichtig an, dass junge Menschen vor Ort sind und nicht nur ihre Interessen äussern, sondern auch diesen Prozess genau verstehen, um später in ihrer Karriere entsprechen-
de Entscheidungen treffen zu können.
Redaktion: Was sind die Ergebnisse der COP29 und wie lassen sich diese regional und lokal adaptieren?
Leonhard Kick: Insgesamt 1,3 Billionen US Dollar an Klimafinanzen sollen pro Jahr ab 2035 für Entwicklungsländer mobilisiert werden, und 300 Milliarden US Dollar davon sollen durch die Regierungen der entwickelten Länder (Industrieländer) aufgebracht werden. Es scheint so, als ob die Länder nach zwei Wochen zäher Verhandlungen doch ein vernünftiges und ambitioniertes Ergebnis erreicht haben. Oder trügt der Schein?
Beim Thema Klimafinanzen ist es unglaublich wichtig, zwischen den Zeilen zu lesen und die Qualität des Geldes macht einen Unterschied wie Tag und Nacht. Aus Sicht der Menschen, die am meisten von den Konsequenzen der Klimakrise betroffen sind, aus Sicht der Zivilgesellschaft und der Jugend und zukünftigen Generationen sind die Resultate alles andere als befriedigend.
Nicht nur stehen die 1,3 Billionen weit hinter den fünf bis sechs Billionen, welche nach neusten Studien wirklich benötigt würden, um es der Menschheit und besonders ärmeren Ländern zu ermöglichen, eine weitere Erwärmung zu verhindern, sich an die Konsequenzen anzupassen und für die entstehenden Schäden zu bezahlen, sondern auch die Qualität des Geldes ist sehr problematisch:
Stellen Sie sich vor, Sie möchten ein Haus bauen brauchen dafür Geld. Es macht für Sie wahrscheinlich einen enormen Unterschied, ob das Geld als Erbe oder als Kredit mit hohen Zinsen kommt.
Der Grossteil der jährlichen 1,3 Milliarden wird aus dem Privatsektor kommen – aus mangelndem Wille von reichen Industrieländern ihren fairen Anteil beizusteuern, trotz ihrer historischen Verantwortung in der Verursachung der Klimakrise. Dies bedeutet hohe Zinsen für die sowieso schon von Schulden belasteten Entwicklungsländer und lässt die Frage offen wer denn für die Anpassung des Klimawandels und die entstehenden Schäden zahlen soll, wo es für den Privatsektor keinen Gewinn und somit kein Interesse zur Investition gibt.
Somit versäumt es das neue Finanzabkommen die Versprechen von Paris zu erfüllen und überlässt es den ärmsten und am stärksten Betroffenen zu bezahlen, wofür andere verantwortlich sind.
Ausserhalb des Glanzes der Klimakonferenzen sind die Länder zudem dann rechtlich verpflichtet, ihre Hausaufgaben zu machen: Auf nationaler Ebene müssen die Länder so genannte «Nationale Beiträge» und «Nationale Anpassungspläne» aufstellen und umsetzen, die im Wesentlichen ihre Anstrengungen zur Abschwächung der Klimakrise und zur Anpassung an diese beinhalten.
Redaktion: Von wegen die Schweiz macht zu wenig für den Klimaschutz: Lokal pflanzen Sie fleissig einheimische Bäume und Hecken im Rahmen eines Projektes der Naturschutzorganisation «ArborMundi». Wie geht es dort weiter?
Leonhard Kick: ArborMundi ist mittlerweile auch im Kanton Zürich vertreten und wir führen nach wie vor jährliche Baumpflanzprojekte durch bei denen mit jugendlichen Freiwilligen einheimische und seltene Bäume und Hecken gepflanzt werden. Dazu kommt ein neues Projekt im Bereich nachhaltiger Bildung bei dem durch interaktive Workshops auf Sekundar- und Gymnasiumlevel praktisches Wissen zu wichtigen Herausforderungen unserer Zeit und anwendbare Fähigkeiten für lokales Engagement vermittelt werden, um die Jugendlichen zu ermächtigen, als «Changemakers» ihren eigenen Beitrag zu leisten.
Danke, dass Sie sich Zeit für ein Interview genommen haben.
Von Claudia Eugster.
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