Patrick Benz
erschuf beim Stadtbahnhof Rorschach ein Naturschutz Denkmal.
Seit dem vergangenen Wochenende stehen die «Billboards am See» wieder auf dem Kornhausplatz. In der sechsten Ausgabe der Freiluftausstellung werden bis am 2. November 2025 Werke aus der Serie «information was lost» der Genfer Künstlerin Donia Jornod gezeigt.
Kunst Exklusiv für die Billboards am See hat Künstlerin Donia Jornod neue Werke ihrer Serie «information was lost» geschaffen. Fünf verschiedene Themen greift sie in der outdoor Ausstellung am Seeufer von Rorschach auf grossformatigen Bildtafeln auf: Widerstand – Vergessen – Feier – Verdrängt / Verborgen – Traum. Die Stellwände mit den Kunstwerken laden zum inne halten und träumen ein. Und Träume sind es denn auch, mit denen Donia Jornod ihre Werke vergleicht. Aber nicht nur, wie Kulturmanager Claudius Krucker vom Verein Kulturfrühling Rorschach bei der Vernissage am Samstag, 26. April zu erzählen wusste.
Nach einem diplomatischen Vorfall eroberte Frankreich 1830 Algerien und unterwarf das Land schrittweise, inklusive der systematischen Ansiedlung europäischer Siedler. Frankreich wurde im 19. Jahrhundert zur zweitgrössten Kolonialmacht der Welt, doch nach 1945 zerfiel das französische Kolonialreich zusehends. Am 1. November 1954 verübten mehrere Kommandos der marxistisch-nationalistischen Front National de Libération (FLN) auf algerischem Territorium gleichzeitig mehrere Bombenattentate – und erklärten Frankreich den Unabhängigkeitskrieg. Mit anderthalb Millionen eingesetzter Soldaten gelang es Frankreich zwar, militärisch die Oberhand zu behalten. Kriegsverluste und Menschenrechtsverletzungen inklusive Folter durch französische Truppen, ebenso Terrorakte der FLN in Frankreich als «zweiter Front», machten die Auseinandersetzung in Frankreich jedoch sehr unpopulär. So beendete der Waffenstillstand vom 19. März 1962 den mit rund 400.000 algerischen Toten und 25.000 gefallenen französischen Soldaten grössten und blutigsten Dekolonisationskrieg weltweit. Zahlreiche Quellen sind verschollen oder zerstört worden – einige wurden sogar ins Meer geworfen. Die Suche nach einer absoluten Wahrheit erweist sich dadurch als schier unmögliches Unterfangen. Doch in den Archiven der Stadt Paris findet sich Quellenmaterial, anhand dessen sich die Genfer Künstlerin Dania Jornod zwischen Zensur und Manipulation, Fiktion und Realität auf die Suche nach der Wahrheit in diesem Konflikt gemacht hat. Ihre Serie «information was lost», die bis am 2. November 2025 auf dem Kornhausplatz im Freien ausgestellt ist, basiert auf ihren Recherchen zu diesem Quellenmaterial.
Wenn man bei Donia Jornod (1991 in Genf geboren) ins Atelier in Zürich eintritt, fallen einem zuerst die vielen Ölbilder auf. Dazwischen finden sich aber auch Arbeiten auf Papier, von sehr malerisch über gesprayt bis zu grafisch. Doch auch der Computer im Atelier dient nicht nur dazu, E-Mails und Bewerbungen für Residencies zu schreiben. Die Genfer Künstlerin bearbeitet vorgefundenes Bildmaterial, collagiert es, erstellt daraus vielleicht ein Video, setzt vielleicht aber das Ergebnis auch wiederum als Ölmalerei um. Als «digital native» arbeitet sie transmedial und verwebt analoge und digitale Techniken nahtlos miteinander. Auch Installationen und dreidimensionale Objekt gehören zu ihrem Repertoire.
Die Patchworks, die Donia Jornod für die «Billboards am See 2025» erstellte, sind digitale Collagen aus ihren Recherchen über den Algerienkrieg in Paris. Sie wirken mit den Faltenwürfen beinahe plastisch, die verschiedenen Bildebenen greifen ineinander über, so Claudius Krucker vom Verein Kulturfrühling Rorschach. «Fotorealistische Abbildungen überlagern sich mit abstrahierten Ebenen, und auf den dritten Blick werden wir uns bewusst: Wir haben uns von der fröhlichen Farbigkeit dieser grossformatigen Bilder einlullen lassen», beschreibt der Kulturmanager.
Die «fröhliche Farbigkeit» der Werke von Donia Jornod täuscht hinweg über die Schrecken, die die Künstlerin aus Geschichten aus dem Algerienkrieg, die ihre Mutter und andere Familienmitglieder ihr als Kind überliefert haben, kennt. Im Rahmen ihrer Residency in Paris wollte die Genferin diese Geschichten anhand der Quellen aus den Archiven mit der «objektiven Wahrheit» konfrontieren. Dabei kam sie zum Schluss, dass es eine «reine» Wahrheit nicht gibt. Die verschiedenen Seiten haben unterschiedliche Wahrheiten. So finden auch die Betrachterinnen und Betrachter der zwei auf zwei Meter Bildtafeln von «Billboards am See 2025» beim erkunden zu ihrer eigenen Interpretation. Noch bis am 2. November 2025.
Claudia Eugster
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