Die Chefin
Katrin Schlenker von «Achtsamkeitsseminare Katrin Schlenker»
Letzten Samstag war Tag des öffentlichen Strickens. Zu diesem Anlass machte sich eine Gruppe von Rorschach aus auf zu einer Reise nach Schaffhausen im Zug. Und wie es sich gehört, beim «Strickzug», wurde gestrickt, dass die Stricknadeln heiss glühten. Zum Glück gibt es in Schaffhausen ein «Wullälädeli», wo sich die Strickfreudigen mit neuen Wollknäueln eindecken konnten.
Region Womöglich haben Sie sich gewundert, liebe Leserinnen und Leser, wenn sie am letzten Samstag, 8. Juni unterwegs waren. Hie und da waren «lismändi» Menschen zu sehen, so zum Beispiel im Jakob-Züllig-Park am See in Arbon, aber auch im Zug von Rorschach nach Schaffhausen – dem Erdrutsch geschuldet via Romanshorn, fand sich eine Gruppe zum bereits traditionellen «Strickzug» organisiert von Erika Müller und Esther Rüst zusammen und es wurde «gelismät» was das Zeug hält, aber auch gelacht und die Geselligkeit genossen.
Wer nicht mehr weiss, wo in Rorschach und Umgebung er fachliche Beratung in allen Belangen, wenn es ums Stricken geht, erhält, nun nachdem das «Wullelädeli» Müller Handarbeiten am Marktplatz in Rorschach geführt von Erika Müller aufgrund von deren Pensionierung Mitte Mai die letzten offiziellen Verkaufstage hatte, der sei unbesorgt: Die über 100-jährige Tradition mit Wolle am Rorschacher Marktplatz ist damit zwar zu Ende gegangen, aber in Frau Nicole Mante konnte Erika Müller eine motivierte und kreative Nachfolgerin finden. «Mit der Schliessung von Müller Handarbeiten geht den Rorschacherinnen und Rorschachern ein Stück Heimat verloren», vermutet Erika Müller. «Aber in Nicole Mantes Wollgeschäft 'Meine Masche', das am 1. Juni an der Mariabergstrasse 5 in Rorschach eröffnete, können die Strickbegeisterten der Region eine neue finden», so Erika Müller mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Seit 2006 führte sie das Wollgeschäft Müller Handarbeiten und war damit die erste Anlaufstelle für alle Belange, wenn es ums Stricken ging in Rorschach und Umgebung. Das «Wullälädeli» am Marktplatz bestand jedoch schon viel länger und zwar seit 1918 und bis 1982 wurde es von den Damen Maria Winiger und Fineli Keller als «Wollenstübli Keller» geführt. Danach durfte Erika Müller das Geschäft in Rorschach erst als Filiale von Studer Handarbeiten in Frauenfeld führen bis sie 2006 mit dem Namen «Müller Handarbeiten» den Schritt in die Selbständigkeit wagte. Nun, nach der Pensionierung und der Übergabe des Kundenstamms an Nicole Mante, organisiert Erika Müller aber gemeinsam mit anderen Strickbegeisterten weiterhin Veranstaltungen rund um das Stricken, wie sie es auch schon während sie das «Wullälädeli in Rorschach» führte, zum Beispiel mit dem Strickplausch im Altersheimen, getan hat. Die Tradition des «Lismä» wird in Rorschach und Umgebung also definitiv weiter geführt. So sei verwiesen auf das von Esther Rüst organisierte «Strick-Kafi», welches jeweils donnerstags von 9 bis 11 Uhr in der Bäckerei Motzer in Buechen statt findet. Unter ihrer und Lucia Zingerlis Leitung wurde auch der gehäkelte Weihnachtsbaum auf dem Marktplatz im Jahr 2020 gestaltet und die Sterne «gelismät», welche den Weihnachtsbaum am Marktplatz im letzten Jahr zierten. Insgesamt waren über 20 Frauen an diesen Strick- und Häkelarbeiten beteiligt. Ganz neu gebe es zudem jeden zweiten Dienstag des jeweiligen Monats auch den «Strick-Morgen» im Coop Restaurant in Rorschach von 9 bis 11 Uhr, erzählt Erika Müller und sie ergänzt lächelnd: «Neueinsteiger aber auch erfahrene Strickerinnen und Stricker sind herzlich willkommen.»
Herzlich willkommen war auch jeder, der sich beim «Strickzug» nach Schaffhausen anmeldete, der am vergangenen Samstag, 8. Juni statt fand. Der Strickzug findet alljährlich statt, zum Anlass dafür genommen wird der «World Wide Knit in Public Day», der internationale Tag des öffentlichen Strickens. Erika Müller und Esther Rüst organisierten ihn unentgeltlich, nur das Zugticket musste selbst bezahlt werden. Inbegriffen war gute Laune, netter Austausch, ein Besuch im «Wullelade» von Kathrin Lang in Schaffhausen und sogar eine kleine Stadtführung mit einer Ortskundigen.
Die Besammlung für den «Strickzug» war in Rorschach am Hauptbahnhof. Abfahrt war dann um 9.24 Uhr. Aufgrund des Erdrutsches musste eine andere Route gewählt werden, als ursprünglich geplant. Stattdessen ging es via Romanshorn. An den Erdrutsch dachte jedoch niemand, denn das Wetter zeigte sich freundlich, teils gar sonnig. Waren es in Rorschach noch fünf, so stiegen im Verlauf der Reise weitere Strickfreudige zu, sodass das Strickgrüppchen zu einer Strickgruppe von insgesamt 17 anwuchs. Dies wurde insbesondere als der ganze «Strickzug» umsteigen musste zu einer kleinen Herausforderung, denn die SBB schätzt zwar, wenn sich grössere Gruppen vorher anmelden, aber im Turbo ist eine Sitzplatzreservation nicht möglich. «Es wäre ja aber auch schade, wenn wir am 'Tag des öffentlichen Strickens' im geschlossenen Abteil 'lismä' würden», fand eine Teilnehmerin. Und so können auch während jedem «Strickzug» ganz interessante Begegnungen mit anderen öV-Nutzern zustande kommen. «Wenn die Leute mich darauf ansprechen und sich wundern, dann frage ich gerne einfach zurück, ob sie das auch die Leute fragen würden, welche in ihr Handy glotzen oder ein Buch lesen», erzählt eine andere Teilnehmerin und muss dabei lachen. Aber sie hat doch eigentlich recht, zumal Stricken nicht einmal Lärm macht, ausser vielleicht ein leises Klappern der Stricknadeln, das erklingt, wenn 17 «Lismäbegeisterte» munter gemeinsam darauf los Stricken. Aber das vermag das Plappern der einen am Handy und jene, die denken, ihre Musik im öffentlichen Raum mit der ganzen Welt teilen zu müssen, nicht zu übertönen, ja nicht einmal das leise Surren der S-Bahn.
Wieder eine andere Teilnehmerin erzählte aus dem «Strickkörbchen» während der Zugfahrt: «Mein Mann meinte, als ich aus dem Haus ging, zu mir: 'Tüender denn aber au e bizzeli lismä und nöd nur redä'.» Auch sie muss lachen. Ein Blick auf ihre Strickarbeit zeigt, der Socken ist fast fertig. Stricken und Reden geht nämlich gleichzeitig, daher ist es ja auch so eine angenehme Tätigkeit. Einen Mann hatte es übrigens auch beim «Strickzug» mit dabei, es ist also nicht nur etwas für Frauen, denn es hat etwas Entspannendes und je nach Stück, das gestrickt wird und dann noch mit einem Muster, ist es sehr anspruchsvoll. Ausserdem ist es schön, wenn der letzte Faden «verneihet» ist, das fertige Stück in Händen zu halten und es dann zu tragen oder zu verschenken. «Ich 'lismä' viel für den guten Zweck, vor allem für 'Weihnachtspäckli', die von Hilfsorganisationen an Menschen in grosser Armut und schwierigen Lebenssituationen verschenkt werden», so eine weitere Strickbegeisterte, bevor der Zug in Schaffhausen einfuhr. Dort verbrachte die «Strickzug»-Gruppe einen spannenden und erlebnisreichen Tag. Zuerst galt es natürlich, den Wullelade in Schaffhausen aufzusuchen, um sich mit neuer Wolle einzudecken. Aber auch eine kleine Stadtführung wurde unternommen und weil das Wetter gut mit spielte, blieben auch alle einigermassen trocken.
Wie bestellt fing es erst richtig an zu regnen, als die ganze Gruppe sich im Zug zurück in die Heimat befand. Und obwohl der Tag anstrengend war, so waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Strickens nicht müde – Socken braucht man ja zwei.
Stricken in der Gruppe ist übrigens äusserst praktisch, denn es weiss sicher immer jemand, wie eine verlorene Masche wieder auf die Stricknadel zu holen ist oder sonst zu helfen. Die Möglichkeit eines gemütlicher Strick- und Häkelnachmittags mit Esther und Erika gibt es bereits am Mittwoch, 19. Juni von 15 bis etwa 17 beim Zeltwerk in Rorschach. Weitere Daten von «Strick-Ladies am Start» sind die Mittwoche, 17. und 24. Juli. An diesen Stricknachmittagen kann auch für ein Klavier von «Pianos am See» mitgestrickt werden, das eine «Hommage an das Rorschacher Wullelädeli» werden soll.
Von Claudia Eugster.
Lade Fotos..