Der Chef
Markus Blatter vom Herrenmodegeschäft «Blatter men's fashion» in Rorschach
Der Künstler Jonny Müller wirkt seit 1969 in Goldach aber auch schweizweit und international. Als einer der wenigen Künstler der Region Rorschach und Umgebung ist er Mitglied beim «Visarte», dem Berufsverband der visuell schaffenden Künstlerinnen und Künstler in der Schweiz. Nun stellt er sein neuestes Projekt vor: Ein Bild für einen Blinden.
Goldach Läuft man durch die Strassen von Goldach so trifft man immer wieder auf ein Kunstwerk von Jonny Müller: Sowohl beim Eingang zum Gelände des Oberstufenschulhauses geht man durch das «Tor der Erleuchtung» von Jonny Müller als auch bei der Aula findet sich ein Kunstwerk des Künstlers. Aber auch der «Wasserzirkus» beim Bachfeldenschulhaus und der Brunnen beim TZM sind von ihm. Jonny Müller ist in Goldach sozusagen der «Dorfkünstler». Wenn es seinen Stil einzuordnen gilt, dann ist er in der Pop Art Zuhause. Bei seinen Ausstellungen kombiniert er gewitzt zweidimensionale Bilder mit dreidimensionalen Objekten. Vor Kritik an der Gesellschaft schreckt er dabei nicht zurück. Bei seinen Werken merkt man, dieser Mann hat sein Handwerk gelernt. Dementsprechend wurde er auch bereits in jungen Jahren in den erlauchten Kreis der Künstlerinnen und Künstler von «Visarte» aufgenommen.
Jonny Müller wurde 1950 in Goldach geboren und verbrachte hier seine Jugendjahre. Für seine Lehre als Mechaniker verschlug es ihn dann von 1966 bis 1970 nach Bern, wo er 1969 an einer Jugend-Kunstausstellung sein allererstes Kunstwerk mit dem Titel «Gefangenes Pop-Girl» präsentieren durfte. Für Jonny Müller war klar, dass in der Kunst seine Zukunft liegt, weshalb er nach seiner Rückkehr in die Ostschweiz ab 1970 drei Jahre lang das Zeichnen und Malen bei Josef Eggler in St.Gallen lernte. Parallel dazu übte er sich von 1971 bis 1972 in plastischem Gestalten bei Köbi Lämmler an der Schule für Gestaltung in St.Gallen. Nach mehreren Einzel- und Gruppenausstellungen wurde der Goldacher Kunstschaffende schliesslich 1976 in die GSMBA – Gesellschaft Schweizerischer Maler und Bildhauer (heute «Visarte» – Berufsverband der visuell schaffenden Künstlerinnen und Künstler in der Schweiz) aufgenommen. Noch heute ist er einer der wenigen Künstler aus Rorschach und Umgebung, der diesen Fähigkeitsausweis vorweisen kann.
In der Vergangenheit beschäftigte Jonny Müller sich mit zahlreichen Thematiken. Stets arbeitet er dabei in Zyklen, die teils abgeschlossen und teils noch in Arbeit sind. Einer seiner berühmtesten Zyklen ist die «Matterhorn-Story», aber auch zu Corona entstanden viele kritische Werke. In diesem Zusammenhang ist der Zyklus «Fake News» zu nennen. Besonders gefällt Jonny Müller aber sein Werk «Schmetterlinge verleihen Flügel», welches die aus Thal stammende Mountainbikerin Jolanda Neff als Olympiasiegerin zeigt, hat es doch eine persönliche Komponente für den Künstler. Früher befand sich in Jonny Müllers Atelier an der St.Gallerstrasse 69 nämlich das Fahrradgeschäft «Velo Müller» seines Vaters Hans Müller, in welchem die Eigenmarke «Goldia Rad» hergestellt und vertrieben wurde. «Schon der Vater von Jolanda Neff liess bei uns seine Velos flicken», erzählt der Goldacher Künstler. Nebst den Zyklen, führt Jonny Müller Auftragsarbeiten für Privatpersonen oder eben auch Gemeinden wie Goldach aus. Seine letzte Auftragsarbeit war es, ein Bild für einen Blinden zu malen. Für Jonny Müller ein «braves» Bild, wie er selbst sagt, malt er doch sonst eher kontrovers.
Just in diesem Moment öffnet sich die Türe zu Jonny Müllers Atelier und herein treten zwei Blinde, welche sich bereit dazu erklärt haben, das fertige Bild zu «Testtasten». Das Bild für den Blinden ist so gestaltet, dass es ansprechend für den Sehenden ist. Es zeigt den Säntis, den Kronberg, den Ort Gonten und davor den Golfplatz. Von weitem sieht es aus wie gemalt. «Ich wollte aber auch, dass der Blinde selbst Freude an dem Bild hat», so Jonny Müller.
Wie aber ein gemaltes Bild für einen Blinden «sichtbar» machen? Damit auch Blinde wahrnehmen können, was das Bild zeigt, bediente Jonny Müller sich der Technik des Reliefs. Die verschiedenen Oberflächen gestaltete der Goldacher Künstler zudem auch noch unterschiedlich rau. So ist zum Beispiel beim Säntis der Fels beschichtet mit Granit-Granulat während der Schnee eine glatte Oberfläche hat. Die beiden Vögel sind aufgesetzt, sodass ihre Kontur ertastet werden kann. Ausserdem sind Säntis, Kronberg, Gonten und Golfplatz mit Blindenschrift beschriftet. Hier erwies es sich als weise Entscheidung, zwei Blinde zum Testen in das Atelier zu bestellen, stellten diese doch fest, dass bei der einen Beschriftung noch ein Pünktchen fehlte. Dankbar verabschiedete Jonny Müller die beiden Tester.
Was denn seine nächsten Projekte seien? An vielen Zyklen arbeitet der dienstälteste Künstler von Rorschach und Umgebung noch heute. Sein Atelier in Goldach sei jederzeit für Interessierte offen, ebenso die angrenzende Galerie und der Künstler gibt auch gerne eine Führung durch sein Archiv und zeigt die einzelnen Zyklen und Werke, die nicht ausgestellt sind. Immer noch am Verarbeiten ist Jonny Müller die Coronazeit, die ihn in seinem Schaffen stark einschränkte. «Zur Zeit beschäftige ich mich mit der Hl. Corona aus dem Zyklus 'The Eyes of Darkness'», verrät der Goldacher Künstler geheimnisvoll – Gesellschaftskritik garantiert. Ein Grund auch, weshalb die einen Jonny Müller mögen und die anderen ihn meiden. Ein Besuch ist seine im Vorzimmer des Ateliers an der St.Gallerstrasse 69 gelegene Kunstgalerie aber auf jeden Fall wert, um sich selbst ein Bild zu machen. Ob blind oder sehend, mit eigenen Augen oder auch eigenen Händen. Zu entdecken gibt es Zweidimensionales und Dreidimensionales. Auch die beiden blinden Bildtester konnten sich mit ihren Händen in der aktuellen Ausstellung gar nicht «satttasten».
Von Claudia Eugster.
Lade Fotos..