Der Chef und die Chefin
Nadja und Pascal Montagner von Underwater University
Bereits vor über hundert Jahren war Rorschach bekannt für Klaviere. Damals waren es die Klaviere aus der Werkstatt von Sabel. Und auch heute sind Klaviere in Rorschach jeweils im Spätsommer in aller Munde beziehungsweise Hände. Vorzugsweise sucht Klavierbauer Urs Kupferschmid Sabel-Klaviere und holt diese für «Pianos am See» aus aller Welt zurück an ihren Herstellungsort.
Rorschach Vom 31. August bis 15. September werden auch in diesem Jahr wieder gestaltete Pianos an vier frei zugänglichen Standorten in der Stadt stehen und zum Klavierspielen und Musizieren einladen. Aber wer und was steckt hinter «Pianos am See»?
Bereits vier Mal waren an vier ausgesuchten öffentlichen Plätzen in Rorschach Klaviere aufgestellt und durften von Klein und Gross bespielt werden. Auch in diesem Jahr werden an der Seepromenade (Hafenplatz), im Stadtzentrum (Marktplatz), auf der Aussichtsplattform beim Lift am Hauptbahnhof und im Park von Schloss Wartegg in Rorschacherberg vom 31. August bis 15. September wieder vier Klaviere stehen, die von morgens bis abends alleine oder gemeinsam mit anderen bespielt werden dürfen. Die Bewilligung hat die Stadt längst erteilt, es fehlt aber noch etwas bei der Finanzierung.
Organisiert werden die 16 Tage von der Interessensgruppe IG Pianos am See, welche im Jahr 2018 gegründet wurde. Projektleiter ist Hobbypianist Rodolfo Marinelli und Annemarie Hohl ist Mitorganisatorin. Aber hinter dem Projekt stecken noch viel mehr helfende Hände. Die weiteren aktiven Mitglieder der Projektgruppe 2024 sind: Toni Ziltener (Jazzpianist, Verein Lernetwas), Regula Meier (IG Stadt am See, Buchhaltung), Erika Müller (Müller Handarbeiten Rorschach, Betreuerin Klavier am Marktplatz), Res Lerch (Blog Rorschacher Echo), Roland Diezi (Leiter Musikschule Rorschach/Rorschacherberg), Philipp Riklin (Architekt & Gönner) und Jannik Grätz (Hobby-Pianist). Sie alle trafen sich am Donnerstag, 21. Februar zur ersten Sitzung und für die Planung.
Die Idee von «Pianos am See» ist es, Musik an ungewohnte Orte zu bringen und die öffentlichen Plätze von Rorschach zu beleben. Umso bedauernswerter wäre es gewesen, wenn das Projekt nicht fortgeführt worden wäre, aber einmal stand «Pianos am See» tatsächlich vor dem Aus. Denn obwohl das Projekt bei der Rorschacher Bevölkerung gut an kam und es weit in der Umgebung Bekanntheitsgrad erlangt hatte, fehlten die Helfer. «Die Luft war raus», so Annemarie Hohl. Dies brachte sie und den heutigen Projektleiter Rodolfo Marinelli auf den Plan. «Das Projekt 'Pianos am See' wäre gestorben ohne uns. Aber wir wollten, dass es weiterlebt», erklärt Annemarie Hohl, die in Rorschacherberg ihre Wurzeln hat, rund um die Welt kam und die es dann vor ein paar Jahren zurück in die alte Heimat zog. Mit aus dem Allgäu brachte sie Rodolfo Marinelli, der aber auch in der Region beheimatet ist. Er kam in Heiden zur Welt und verbrachte hier bis zum Wegzug einen Teil seiner Kindheit. Durch einen Aufruf in den Bodensee Nachrichten wurden die beiden 2019 aufmerksam auf «Pianos am See» und als Helfer aktiv. Dann übernahmen sie im Jahr 2021 gemeinsam die Hauptorganisation und retteten das Projekt so vor dem Aus.
Rodolfo Marinelli und Annemarie Hohl stecken beide selbst sehr viel Zeit und Energie in das Projekt «Pianos am See», aber nur zu zweit wäre es nicht zu stemmen. Sie sind sowohl auf finanzielle Unterstützung angewiesen um die Klaviere beschaffen und in Stand halten zu können, als auch auf freiwillige Helfer. Von denen gibt es einige, aber für die Durchführung in diesem Jahr können sie durchaus noch mehr gebrauchen. Die Aufgaben bestehen hauptsächlich darin, die Klaviere morgens und abends abzudecken und die Standorte stundenweise zu betreuen, denn ein scheinbar herrenloses Klavier an einem öffentlichen Platz kann durchaus auch zu Vandalismus verlocken, was verhindert werden soll. «Wir heissen 'Pianos am See' und nicht 'Pianos im See», meint Annemarie Hohl lachend, auch wenn Sachbeschädigung eigentlich nicht zum lachen ist. Aber bisher sei noch kein Klavier im See gelandet und auch sonst sei es nur vereinzelt zu kleineren Beschädigungen gekommen. Dies dank dem Engagement der Helferinnen und Helfer, allerdings auch wegen der Bürgerinnen und Bürger. «Besonders gerührt war ich, als ich bemerkte, dass ein Passant jeden Tag von weitem ein wachsames Auge auf das Piano am Marktplatz hat», so Annemarie Hohl.
Das Spezielle an «Pianos am See» ist einerseits die farbige Gestaltung der Klaviere, andererseits, dass Klein und Gross sie bespielen dürfen. «Sobald jemand auf einem der Klaviere spielt, passiert etwas», beschreibt Annemarie Hohl. Man wisse aber nie was und genau das sei die Faszination daran, erzählt die Mitorganisatorin weiter und bringt ein bewegendes Beispiel: «Ein Mann bespielte jeden Tag alle vier Klaviere, weil er Zuhause selbst kein Klavier hat.» Erfahren hat sie diese und weitere Pianogeschichten, weil sie durch «Pianos am See» mit den Klavierspielern, aber auch mit den Zuhörerinnen und Zuhörern ins Gespräch kam. Das Projekt sorgt also auch für die Vernetzung der unterschiedlichsten Menschen und einen spannenden Austausch, aber es treffen nicht nur Fremde aufeinander: «Die Leute verabreden sich zum Teil bei den Pianos. Oder Familien laufen die einzelnen Standorte ab. Wir machen es selbst so und lauschen den Klängen», schwärmt Annemarie Hohl. Und «Pianos am See» sei immer für eine Überraschung gut ergänzt Rodolfo Marinelli: «Einmal liefen wir abends um acht Uhr zum Piano am Hafen. Ein Mann hockte am Klavier, ein zweiter spielte Gitarre dazu. Bei genauerem Hinsehen- und hören war das Roman Elsener von The Roman Games. Wir hatten quasi ein privates Live-Konzert.»
Das Projekt «Pianos am See» ist inzwischen weit über die Rorschacher Stadtgrenzen hinaus bekannt: «Ein Gespräch mit einem Klavierspieler beginne ich oftmals einfach mit der Frage, woher er denn käme», so Rodolfo Marinelli und schon sei das Eis gebrochen und eine neue Pianogeschichte in Erfahrung gebracht. Noch lieber bespielt der 59-Jährige jedoch selbst die Klaviere: «Besonders gerne spiele ich am Klavier am Hafen wenn die Sonne langsam untergeht. Die Kulisse mit dem Kornhaus im Abendrot ist einmalig und wenn ein Schiff ankommt, dann winken einem die Passagiere zu.» Das Klavier am Hafen liegt ihm und Annemarie ausserdem besonders am Herzen, haben sie es doch selbst in den Farben von «Pianos am See» und mit dessen Logo liebevoll gestaltet. Es wird auch in diesem Jahr wieder am Hafenplatz stehen. Anders als die anderen Klaviere, die seit 2018 gestaltet wurden. Diese sollen, wenn es nach den Organisatoren geht, jedoch nach den 16 Tagen «Performance im Freien» möglichst weiterhin für die Öffentlichkeit für gemeinschaftliche Zwecke oder Veranstaltungen weiterhin zur Verfügung stehen. Dies ist meist geglückt: Ein Klavier steht heute im Pestalozzischulhaus, das Klavier «Die vielen Gesichter der Musik» findet sich im HPV, «Holzschnitt» ist im HafenBuffet und das Klavier «ART MEETS POP – gestaltet von Roland Büchler 2019» ist im Café GönnDir verortet. Es steht für Konzerte von «Rorschach Unplugged» und für die «Piano Days» in der Café Bar Treppenhaus zur Verfügung.
Für das Projekt «Pianos am See» werden jedes Jahr neue Klaviere gestaltet. «Jedes Klavier hat seine eigene Geschichte, die wir gerne nacherzählen möchten», so Annemarie Hohl. Wer die Klaviere in diesem Jahr gestalten wird, das verrät die 57-Jährige jedoch nicht. Was die Beschaffung und den Unterhalt der Klaviere betrifft, so kann «Pianos am See» seit Beginn des Projektes auf Urs Kupferschmid, den Klavierbauer von pianohaus.ch St.Gallen, zählen. Sie alle haben vorzugsweise auch eine gemeinsame Geschichte, besser gesagt den gleichen Ursprung. Urs Kupferschmid hat es sich nämlich zur Aufgabe gemacht, die Sabel-Klaviere für «Pianos am See» zurück nach Rorschach zu holen.
Die Firma Sabel wurde 1842 in Rorschach gegründet. Nebst Schmidt Flohr und Burger & Jacobi zählte sie zu den bekanntesten Manufakturen für Klaviere und Flügel. Von diesen drei Herstellern war Sabel der Höchstpreisigste. Die Firma wurde 1979 von der Braunschweiger Fa. Schimmel übernommen, aber die Klaviere wurden weiter im Stammhaus an der Seebleichestrasse 62 in Rorschacherberg gefertigt. 1991 wurde die Produktion eingestellt, doch noch heute finden sich Sabel-Klaviere auf der ganzen Welt. «Wenn ein Klavier für 'Pianos am See', dann auch eins aus der Klavierfabrik Sabel aus Rorschach», so Urs Kupferschmid, Klavierbauer und Inhaber von pianohaus.ch St.Gallen. So stöbert er Jahr für Jahr Sabel-Klaviere auf und holt sie für «Pianos am See» zurück nach Rorschach.
Von Claudia Eugster.
Wenn Sie «Pianos am See» unterstützen möchten, dann spenden Sie an folgende Bankverbindung:
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IG Stadt am See, 9400 Rorschach
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Vermerk: PIANOS AM SEE
oder per Twint: Rubrik «Unterstützung» auf www.pianosamsee.ch.
Urs Kupferschmid hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Sabel-Klaviere für «Pianos am See» zurück nach Rorschach zu holen.
«Wenn ein Klavier für 'Pianos am See', dann auch eins aus der Klavierfabrik Sabel aus Rorschach.»
~ Urs Kupferschmid, Klavierbauer und Inhaber von pianohaus.ch St.Gallen
Lieber Urs Das freut mich sehr, leider etwas zu späht, ich wünsche Dir mit diesem Projekt viel Erfolg, mit Toni Ziltener und Otto Vogel Hast Du gute Berater! Liebe Grüsse Dein Klavierbauerkollege Rolf Dalzotto-Kelsey
Rolf Dalzotto antwortenLade Fotos..